Was macht man, wenn in Hamburg die „Harley Days“ toben und biedere Buchhalter mit sicher nur aus Verkehrssicherheitsgründen lauter gedrehten Motorrädern ums Haus fahren? Man stöpselt sich Kopfhörer in die Ohren und schaut, ähm, fern.
Der Fernseher ist in diesem Fall der Computer, auf dem ein paar ältere Folgen der „The Sex Inspectors“ (ab 18 Jahre) des britischen Channel 4 (wieder einmal, ich weiß) gespeichert sind.
Die Sex Inspectors sind diese beiden Herrschaften hier,
nämlich Tracey Cox (was für ein Name für eine Sexratgeberin!) und Michael Alvear; sie Journalistin, Psychologin und einschlägige Buchautorin, er schwul und ebenfalls Buchautor (u.a. des wunderbar betitelten Men Are Pigs, But We Love Bacon/Männer sind Schweine, aber wir lieben Speck).
Die beiden besuchen und beraten Paare, deren Sexleben nicht (mehr) so läuft, wie sie gern hätten. Dazu sehen sich die Experten erst einmal Videoaufnahmen an, die über mehrere Tage von Überwachungskameras in den Wohnungen der Paare aufgenommen wurden (inklusive Schlafzimmer!) und versuchen aufgrund ihrer Beobachtungen sowie der persönlichen Gespräche mit den beiden herauszufinden, was nicht stimmt und wie sie das ändern können.
Das klingt auf den ersten Blick nach mühsam vertuschtem Voyeurs-TV, schließlich sieht man die Klienten auch tatsächlich richtig schnackseln, wenngleich nur per Infrarot-Kamera. Und doch ist das ein völlig unpeinliches, höchst amüsantes und – jetzt kommt’s – authentisches Format.
Die Paare sind nämlich so richtig echt, also keine von diesen peinlichen Laiendarstellern, die die diversen „Ratgeber-Sendungen“ im deutschen Privatfernsehen verlächerlichen. (Einschub: RTL hat am Donnerstag sein Programm für die zweite Jahreshälfte vorgestellt, darunter eine neue Sendung namens „Dr. Brandenburg hilft“ mit der wunderbaren Ulrike Brandenburg und – sofern der kurze Trailer nicht sehr getrogen hat – wieder einmal Laien“schauspielern“, die angeblich Partnerschaftsprobleme haben. Einschubende.)
In der ersten Folge helfen Cox und Alvear Charlotte, die zwar durch Cunnilingus und Masturbation zum Orgasmus gelangen kann, aber nicht, wenn sie mit ihrem Freund Jamie so genannten penetrativen Sex hat. In der zweiten Folge besuchen sie ein Paar, das nach der Geburt ihres ersten Kindes unterschiedlich viel Lust auf Sex hat – sie will, er nicht.
Weiter bin ich noch nicht, aber die Harleys fahren ja erfreulicherweise noch das ganze Wochenende.
Es gibt einige Dinge, die mich an dieser Serie faszinieren:
Vor allem, dass sich wirklich Paare gefunden haben, die in aller Öffentlichkeit über Intimstes plaudern – und zwar nicht in jenem Stil, der in hiesigen Trash-Talkshows gepflegt wird. Mehr dazu erzählt Tracey Cox in diesem Observer-Artikel.
Auch die Sprache von Cox und Alvear ist ebenso unverkrampft wie punktgenau. Kann natürlich auch sein, dass einem eine fremde Sprache nie so peinlich vorkommt wie die eigene (vgl.: englische Songtexte vs. deutscher Schlagerkitsch).
Und die Tipps und Techniken, mit denen sie den Paaren zu helfen versuchen, sind ebenso unterhaltsam wie – offensichtlich – zielführend.
Da kann manch eine/r noch was lernen, zum Beispiel die Technik „Feuer machen“: Dabei „dreht“ man den Penis wie das Stäbchen beim Feuermachen und fährt währenddessen mit den Händen rauf und runter. Alles natürlich eher langsam … Bei Andrew aus der zweiten Folge soll das jedenfalls beachtliche Reaktionen hervorgerufen haben.
RTL hat im vergangenen Jahr das Format für Frau Schrowanges „Extra“ abgekupfert, aber offensichtlich nur für eine Sendung. (Zum Glück?) Trotzdem: Kann sich jemand vorstellen, dass es so etwas auch im deutschen Fernsehen gäbe? Dass es Paare gibt, die vor der Kamera frei und ehrlich über ihre sexuellen Wünsche und Probleme sprechen, und Experten, die damit locker und sensibel umgehen können? (Wer hat hier gerade Erika Berger gerufen?!)
Und: Weiß eigentlich jemand, was Matthias Frings mittlerweile macht?