„Die neue Partner-Psychologie sagt uns, dass nur Paare langfristig guten Sex miteinander haben können, die ihre Erotik bewusst inszenieren. Kuschelsex, bei dem immer nur Zärtlichkeit und Nähe gefordert wird, ist eher kontraproduktiv.“
Das sagt der Trendforscher Matthias Horx laut der österreichischen Tageszeitung „Die Presse“ in seinem „Trendreport 2007“. Ganz abgesehen davon, dass ich mich immer wieder frage, woher die Leute das wissen, ist hier natürlich auch das spannende Thema: Könnte er damit recht haben? Oder ruft Horx hier etwas, das zur erotischen Allgemeinbildung gehört, zum Trend aus?
Dass langjährige Beziehungen oft unter zu eingespieltem Sexleben leiden, weiß man seit Jahrzehnten. Früher hieß es dann eben: „Deponieren Sie die Kinder bei den Großeltern und machen Sie sich ein romantisches Wochenende!“ Heute heißt das „Erotik inszenieren“. Kann auch, wenn man nicht so auf Inszenierungen steht, ganz schön anstrengend werden: „Du, Schatzi, wie legen wir`s denn heute an?“
Horx meint auch, dass es nur eine Frage der Zeit sei, bis es „einen Jamie Oliver der Erotik-Kultur gibt, wahrscheinlich eine Frau“. Die Parallele zur Esskultur ist zwar ganz stimmig (verschafft Genuss, macht Flecken und fallweise dick), aber was Horx vergisst, ist: Gab es schon! Sogar mehrere. Matthias Frings und Andrea Thilo hatten in „Liebe Sünde“ genau den leichten, unverkrampften Ton drauf, der dem Thema Sex hierzulande fehlt. (Beide werden im TV der Nuller-Jahre, das wirklich zum Schmuddel-TV verkommen ist, schmerzlich vermisst.) Und man kann von Lilo Wanders halten, was man will. Aber in seinen Anfangszeiten hat auch „Wa(h)re Liebe“ nicht nur von Pornodrehs berichtet, sondern auch durchaus was für die erotische Bildung des deutschsprachigen TV-Publikums getan.
Was beide Sendungen wohl nie über die Bildschirme bekommen hätten, ist der Satz „Kuschelsex ist kontraproduktiv“. Mit solchen apodiktischen Feststellungen Vorschriften setzt man just jene unter Druck, die bislang mit Kuschelsex absolut zufrieden waren und nie auf die Idee gekommen wären, dass ihnen etwas fehlt. Von denen gibt es weit mehr, als uns diverse TV-Magazine (und Trendforscher) einzureden versuchen. Wäre schön gewesen, wenn Horx den Trend „In der Sexualität werden keine Vorschriften mehr gemacht, was normal ist und was nicht“ ausgerufen hätte.