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Fußball ist ohnehin ein schwuler Sport, wann also kommt endlich das erste Outing?

 

© Boing/Photocase

Es war im Oktober 2008, als der Präsident des FC St. Pauli, Corny Littmann, mit einem baldigen Gruppenouting schwuler Bundesliga-Fußballer rechnete.

Nun, falls sich die Schranktür seither bereits leicht geöffnet haben sollte, ist sie mit dem aktuellen SEXSKANDAL BEIM DFB? (Zitat großformatiges Massenblatt) jedenfalls wieder mit einem Schlag zugeknallt worden. Homosexualität im männlichen Leistungssport ist somit für die nächsten Wochen, wenn nicht Monate wieder mit den Etiketten „pfui“, „schlüpfrig“, „tut man nicht“ besetzt.

Wohlgemerkt, niemand weiß, was wirklich zwischen dem DFB-SchiedsrichtersprecherMitglied des DFB-Schiedsrichterausschusses und einem jungen Shootingstar der Schiedsrichterszene vorgefallen ist, außer den beiden. Allgemein wird berichtet, der Ältere habe sich dem Jüngeren „genähert“. Sicherheitshalber wird noch erörtert, dass der Ältere maßgeblich an Karriere und Besetzung junger Nachwuchsschiedsrichter in Deutschland beteiligt sei.

Interessant ist die Zeitleiste. Der Jüngere habe angeblich im Dezember den Vorsitzenden des Schiedsrichter-Ausschusses benachrichtigt, im Januar wurde er zum jüngsten deutschen Fifa-Schiedsrichter ernannt, und vergangene Woche gab es im DFB eine Krisensitzung. Wer zu viel The Mentalist kuckt, erkennt da Zusammenhänge. Oder alle Voraussetzungen für eine Rufmordkampagne.

Wie auch immer diese Angelegenheit ausgeht, fürchte ich, dass sie die Bereitschaft aller Fußballbeteiligten, auf schwule Kollegen offen zu reagieren, wieder zunichte gemacht hat. Und diese Bereitschaft muss leider von innen kommen, also aus den Klubs, von den Trainern und Funktionären. Es müsste ein eindeutiges, scharfes Zeichen aller geben, dass Verhöhnungen oder Diskriminierung homosexueller Spieler nicht geduldet werden. Insofern ist Corny Littmanns Idee eines Gemeinschaftsoutings perfekt.

Es braucht eindeutige Zeichen, weil das wahre Problem nicht Teamkollegen sind, die dann „aus Spaß“ unter der Dusche die Seife fallen lassen oder sich ähnlich lustische Gags einfallen lassen, sondern wegen des zwölften Mannes: Das Fußballpublikum ist leider, auch wenn vereinzelt Menschen darunter sind, die bereits den aufrechten Gang beherrschen, recht schlichtgemütig gestrickt. Wer Bananen angesichts dunkelhäutiger Fußballer schwenkt, dem wird für schwule Spieler noch ganz was anderes einfallen.

Traurig, dass der Fußball, was sag ich, der Spitzensport so weit zurückgeblieben ist in dieser Hinsicht.

Es gibt sie auf jeden Fall, sagt Corny Littmann. Er selbst kenne einige schwule Bundesligaspieler. Sie scheinen nicht die schlechtesten Kicker zu sein, wenn sie es – trotz Homosexualität! – in die Spitzenliga geschafft haben.

Überhaupt sind das ja wunderbare Vorurteile, dass sich Schwule so etwas wie Fußball niemals antun würden und lieber in Kunstausstellungen gehen. Das beste Beispiel dafür ist Gareth Thomas, walisischer Rugbyspieler. Der hatte sich vergangenen Dezember, kurz vor seinem Karriereende, geoutet, worüber hierorts schon ausgiebig diskutiert worden war.

So ein Rugby-Match muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen. Verwirrende Signale? Aber hallo! Als wir vor einigen Monaten zu unserem ersten Spiel gingen, tönte uns aus dem schon einmal Abbas Dancing Queen entgegen. Das nächste, was wir sahen, war ein Meer von rosa Fahnen, die Vereinsfarbe ist nämlich – so schwul! – Pink. Dann kamen die Spieler aufs Feld, die meisten genauso breit wie hoch. An bestimmten Momenten im Match finden sich die Spieler zusammen, um sich miteinander zu verflechten, was aussieht wie eine riesige Schildkröte, die dann die Schildkröte des anderen Teams vom dazwischen liegenden Ball wegzuschieben versucht.

In diesem Stadium erkennt man übrigens nicht mehr genau, wer seine Hand wo und seinen Kopf zwischen wessen Beinen hat.

Die Hauptaufgabe beim Rugby scheint allerdings zu sein, den Gegner einfach in vollem Lauf gezielt niederzurennen. Den Knall, wenn zwei Köpfe aneinanderprallen, hört man oft bis auf die Tribüne. Foul? Fouls sind was für Pussies.

Wenn man also ein Rugby-Match gesehen hat, hält man den geradezu aseptischen Spitzenfußball kaum noch aus. Diese Prinzesschen fallen ja bei jedem stärkeren Luftzug um, und wenn man ihnen nur zu fest aufs Schienbein sieht, rufen sie bereits nach dem Mannschaftsarzt.

Insofern ist es doppelt und dreifach überraschend, dass sich ausgerechnet ein Rugbyspieler geoutet hat. Hm, oder vielleicht sogar logisch? Der muss ja nun wirklich niemandem mehr beweisen, was für ein „echter Kerl“ er ist.

Wir schreiben das Jahr 2010. Es wäre schön, wenn langsam auch die letzten Macho-Bastionen im 21. Jahrhundert ankommen könnten. Das Hochspielen eines angeblichen Vorfalles zwischen zwei Erwachsenen zu einem „Sexskandal“, über den in ähnlicher Breite berichtet wird wie über den Missbrauch von Geistlichen an ihnen anvertrauten Kindern, hilft dabei jedenfalls nicht wirklich.

EDIT: Zur Klarstellung: Ich freue mich nicht auf das erste Outing, um darüber mit allen anderen sabbern und mir vorstellen zu können, wie’s jemand im Bett so treibt. Sondern die Berichte der wenigen bislang geouteten Sportler über ihr falsches Hetero-Leben mit Pflichtfrau etc. sind so anrührend, dass man so ein Leben niemandem wünscht.