Kennen Sie den schon? Kommt ein Staatsanwalt in eine Schule und sagt zu den Lehrern: „Wenn ihr euren Schülern Sexualkundeunterricht gebt, buchte ich euch wegen Anstiftung eines Jugendlichen zu einer Straftat ein!“
Ja, ist wirklich ein Scherz.
In Wirklichkeit hat Scott Southworth, Staatsanwalt im US-Distrikt Juneau County, Wisconsin, diese Nachricht nämlich per Memo an die Lehrer verschickt. Geht ja auch viel zeitsparender, und man kann nicht mit dummen Rückfragen konfrontiert werden.
Ein neuer staatlicher Lehrplan sieht dort vor, dass Schüler nicht nur über Verhütungsmittel informiert werden, sondern auch lernen, wie man diese korrekt anwendet. Und diese Vorgehensweise sei, so Southworth, vergleichbar mit Kindern, die man über Alkoholkonsum aufkläre und denen man danach beibrächte, wie man Drinks mixt.
Sex sei für Kinder schließlich verboten, und durch den neuen Lehrplan seien Schulen nun geradezu gezwungen, die Schüler dazu zu ermuntern, sich sexuell zu betätigen, „sei es als Opfer oder als Straftäter“.
Southworth ist nicht einmal noch 40 Jahre alt und scheint im Prinzip kein schlechter Mensch zu sein. (Man muss Respekt für jemanden haben, der gegen viele Hindernisse kämpft, um einen behinderten irakischen Jungen zu adoptieren). Aber – und dieses Aber ist ernst gemeint – er entstammt einer gläubigen Familie und scheint dementsprechend immer noch der Meinung zu sein, dass Sex erst und ausschließlich in der Ehe stattzufinden hat.
Und da es in seinem Weltbild keine Alternativen zu dieser Ansicht gibt, macht er die Augen zu, zieht die Scheuklappen noch ein bisschen fester und droht allen Andersgläubigen.
Weil sich ja derzeit vor allem kirchliche Vorbildfiguren so mustergültig an Ge- und Verbote halten, was Sex und Gewalt anbelangt? Man müsste lachen, wäre es nicht so absurd.
Southworth wird im Laufe der nächsten Jahre an seinem eigenen Sohn merken, dass sich Kinder und Jugendliche nicht immer ganz genau an Regeln halten. Verbieten Sie einer Fünfjährigen, auf die Herdplatte zu greifen, und sie wird es trotzdem tun. Mehrmals. Allein aus Neugier, um zu sehen, ob sie heiß ist. (Danke der Nachfrage, die Narben sind mittlerweile gut verheilt.)
Der Staatsanwalt muss sich nur die Statistik der Teenagerschwangerschaften in den USA ansehen. Von 2005 auf 2006 ist diese Zahl erstmals seit mehr als zehn Jahren wieder leicht angestiegen. (Eine Grafik aus der New York Times finden Sie hier.) Das ist – laut übereinstimmender Meinung von Experten – die Folge der ignoranten Abstinenz-Politik, für die unter George W. Bush rund 150 Millionen US-Dollar pro Jahr ausgegeben wurden. Dabei wurde den Schülern eingetrichtert, mit dem Sex bis zur Ehe zu warten, ohne sie aber darauf vorzubereiten, falls es mit dem Warten doch nicht klappt.
Die Folge? Keine Ahnung von Kondomen, deren Handhabung, Geschlechtskrankheiten oder wie das mit Bienchen und Blümchen ganz generell so funktioniert. Bristol Palin weiß das mittlerweile ebenfalls.
Szenenwechsel nach Europa, in die Schweiz. Dort wurde vor kurzem ein neues Kondom auf den Markt gebracht, das speziell an die Bedürfnisse von Jugendlichen angepasst wurde. Sprich: Statt 51 Millimeter Durchmesser, der Größe des bis zu diesem Zeitpunkt kleinsten erhältlichen Kondoms, misst der Hotshot nur 45 Millimeter.
„Wir haben gesehen, dass in der Kondompalette vor allem ein engeres Kondom fehlt“, sagt Bettina Maeschli von der Aids-Hilfe Schweiz. „Manchmal brauchen das aber auch Erwachsene.“
Mit den Kondomen könne in den Schulen auch gleich „das Thema Penisgröße“ angesprochen werden, sagt Maeschli.
In manchen US-Bundesstaaten wäre der Hersteller mittlerweile bereits längst von schilderschwingenden Protestgruppen umzingelt, angeführt von Staatsanwalt Southworth. So weit ist man in der Schweiz erfreulicherweise noch nicht. „Das Thema wurde vor allem von den Medien kontrovers aufgenommen“, sagt Maeschli jedenfalls, als ich sie nach entsprechenden Reaktionen frage. „Und es hat wohl ein paar Bürgerbriefe gegeben.“
Immerhin hat die BBC dann doch noch eine Mutter gefunden, die zu Bedenken gibt, dass der Hotshot einer Aufforderung zu sexuellen Aktivitäten gleich komme. „Vom einen zum anderen, das ist schon ein sehr großer Schritt“, entgegnet Maeschli, „da besteht kein Zusammenhang.“
Schließlich muss man sich ja auch nicht täglich in den Finger schneiden, nur weil man Heftpflaster zuhause hat.
Jugendliche haben einfach irgendwann Sex, ob die Eltern, Lehrer oder der Papst das wollen oder nicht. Manche früher, manche später – auch wenn später besser wäre, wie eine neue Studie zeigt. Nicht, weil man dann näher an der Eheschließung ist, sondern weil mit jedem Lebensjahr ein bisschen mehr Wissen und Selbstbewusstsein hinzukommt. Und der Mut zu sagen: „Ohne Kondom will ich nicht mit dir schlafen.“
Bis es so weit ist, nützt man die Zeit also am besten dafür, den Jugendlichen möglichst viel über Sex beizubringen. Man lässt ja auch niemanden ohne Fahrkurs ans Steuer.