Es gibt nichts, das die Wissenschaft nicht erforscht.
Richard Tewksbury von der University of Louisville und Richard McCleary von der University of Irvine zum Beispiel haben über zwei Jahre lang die Besucher von 33 Sexshops in drei kalifornischen Counties gezählt und ausgewertet. Vor allem interessierte den Professor für Rechtspflege und den Sozialökologen, ob Kollegen, die vor wenigen Jahren etwas Ähnliches gemacht hatten, auf ein realistisches Ergebnis gekommen waren.
Die hatten nämlich bei ihren Zählungen festgestellt, dass die Hälfte aller Besucher zweier beobachteter Sexshops Frauen waren. Ein Ergebnis, das in der heutigen Zeit, wo die Standard-TV-Szene „Zwei Freundinnen gehen gemeinsam Sexspielzeug kaufen“ schon ins Abendprogramm Einzug gehalten hat, durchaus realistisch klang. Vielleicht überraschend aufgrund der Eindeutigkeit, aber wer wollte das damals (2007) anzweifeln?
Zur Sicherheit: Wir sprechen hier ausschließlich von in den USA durchgeführten Studien.
Tewksbury und McCleary gingen das Ganze mit männlicher Gründlichkeit an. Sie beobachteten, wie gesagt, nicht nur zwei, sondern 33 Shops. Und sie führten ihre Zählungen nicht ausschließlich an Freitagen und Samstagen durch, wie das ihre Vorgänger taten.
Und prompt kamen sie zu reichlich unterschiedlichen Ergebnissen: 83 Prozent der Kunden waren Männer, entsprechend 17 Prozent Frauen. Die Männer kamen zu 75,6 Prozent allein, während die Frauen zu 86,9 Prozent entweder in Gruppen, mit einem Freund oder ihrem Partner shoppen gingen. Die Geschlechtergleichheit aus den früheren Studien stimmte an den Wochenenden sehr wohl überein. Frauen scheinen den Sexshopbesuch also eher als Freizeitvergnügen denn als Mittel zum Zweck des Erwerbs von Toys zu sehen.
Die Autoren untersuchten allerdings auch, welche Kriterien Frauen eher dazu veranlassen, ein Geschäft dem anderen vorzuziehen. Sie gingen tendenziell lieber in Geschäfte mit höherem Kundenaufkommen (ich weiß, ich hätte auch -verkehr schreiben können …) und in jene, an deren Eingang ein Wachmann stand. Sie mieden allerdings eindeutig und „statistisch signifikant“, wie es in wissenschaftlichen Studien heißt, solche mit Videokabinen.
Im Gegensatz zu Männern: Wenn die in Gruppen kamen, dann meistens, nachdem die Bars in der Umgebung geschlossen hatten (ah, wunderbares Rund-um-die-Uhr-Shopping!). Und sie bevorzugten Geschäfte mit Videokabinen.
Das Überraschende an Tewksburys und McClearys Untersuchung ist allerdings, dass Frauen Geschäfte mit männlichem Verkaufspersonal bevorzugten, und zwar genauso eindeutig wie jene ohne Videokabinen.
Frauen lassen sich also nicht gern von anderen Frauen beim Kauf von Sexspielzeug beobachten oder beraten?
In der Studie heißt es: „Im Prinzip soll die Anwesenheit von weiblichen Angestellten den Frauen signalisieren, dass sie hier willkommen sind und nicht befürchten müssen, von männlichen Kunden angesprochen zu werden. Die Zahlen widersprechen dieser Erwartung allerdings.“
Im ersten Moment hat mich das an den Versuch des Erotikkonzerns Beate Uhse erinnert, der im Jahr 2004 die ersten Shops seines Ablegers Mae B. eröffnete. Mae B. richtete sich gezielt an Frauen, war bewusst so unschmuddelig wie möglich eingerichtet (aber vielleicht auch ein bisschen zu plüschig) und wollte ein stilvoller Sexshop sein.
2007 gab der Konzern bekannt, dass die (wenigen) vorhandenen Geschäfte geschlossen werden. Funktionierte einfach nicht. Ob es an den weiblichen Angestellten lag (allerdings arbeiten auch in „normalen“ Beate-Uhse-Shops hauptsächlich Verkäuferinnen) oder an der Einrichtung oder am Timing – im Zeitalter der diskreten Online-Shops werden wir es wohl nie erfahren.
Leider hat sich bei Richard Tewksbury seit Veröffentlichung der Studie niemand mit einem Erklärungsvorschlag für dieses Phänomen gemeldet.
Sind Frauen einfach fauler als Männer und lassen sich ihre Einkäufe lieber per Post nach Hause liefern? Aber würde es sich nicht gerade für solch körpernahe Produkte empfehlen, sie vor dem Kauf auch einmal aus der Nähe gesehen und in der Hand gehalten zu haben? (Wenn das schon eindeutig für unpersönliche Geräte wie einen Miniofen gilt, dem man seine klapprige Verarbeitung auf dem Bild im Internet eindeutig nicht ansehen konnte. Aber auch das ist eine ganz andere Geschichte.)
Vielleicht wollen Frauen beim Kauf von Sextoys lieber Party machen (und dabei eventuelle Spuren von Unsicherheit überspielen). Eine meiner Bekannten hat jedenfalls von ihrem wunderbaren Erotikladen vor einigen Jahren zu tupperware-ähnlichen Verkaufspartys gewechselt. Wo die Kundinnen allerdings wiederum von einer Frau beraten und im Kreise anderer Frauen ihre Käufe tätigen. Was Tewksburys Beobachtung widerspricht.
Sind Frauen trotz aller Sex-and-the-City-Aufgeschlossenheit doch noch nicht so weit, sich in Sexshops einfach zu holen, was sie gern hätten? Männer schaffen das ja auch – und noch extremer. Wer aus einer Videokabine rauskommt, hat sich mit ziemlicher Sicherheit dort gerade einen runtergeholt. Was sich wiederum jeder denken kann, der ihn dort rauskommen sieht.
Oder sind Sexshops einfach genauso kein Geschäftszweig für Frauen wie, sagen wir, der gute Rasierpinselfachhandel? Und sollte man das einfach – es gibt ja wahrlich Schlimmeres – akzeptieren?
Auch wenn man Sexshops nun nicht wirklich zur Grundversorgung zählen kann – interessant ist diese Diskrepanz im männlichen und weiblichen Verhalten sehr wohl. Aber vermutlich wird sich demnächst auch darum die Wissenschaft kümmern.