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Bayern München – FC Chelsea 4:5 n.E.

 

Glückwunsch an Chelsea, sie sind faire Sieger. Aber wie hat es diese Mannschaft geschafft, erst Barcelona auszuschalten und dann dieses Endspiel zu gewinnen? Die Blauen hatten im ganzen Spiel kaum mehr als diese einzige Torchance: Drogbas Ausgleich bei der ersten und einzigen Ecke in der 88. Minute. (Zugegeben, der Kopfball samt Ecke war die beste Offensivaktion des gesamten Spiels.) Torschüsse 35:9, Ecken 20:1. Alle Gesetze außer Kraft, sogar England besiegt Deutschland im Elfmeterschießen. Lahm wird heute unwidersprochen behaupten dürfen, dass Bayern die bessere Mannschaft war.

Drogba, heute ohne Schauspieleinlagen, krönt eine tolle Karriere spät, Lampard, ein echter Sportsmann, und Cech, der bei sechs Elfmetern sechs Mal in der richtigen Ecke war, auch. Das ist diesen Recken zu gönnen. Ist schon seltsam, diese Mannschaft ist lange über den Zenit, sie war mal eine Blue Army, weit besser als heute …

Und die Bayern? Bayern hat aus seiner Überlegenheit zu wenig gemacht, aus seinen Chancen, aus seiner Führung im Spiel und im Elfmeterschießen. Vor allem aus Kontern und Überzahlsituationen, das ist auch eine taktische Frage. Ein Finale dahoam zu verlieren tut weh, sowas kommt ja nicht wieder. Ein weiterer Schmerz in dieser schmerzvollen, obgleich guten Saison. Oder darf man sagen: sehr guten Saison?

Heißt das was für Löw? Der muss die Bayern aufbauen und -fangen. Jetzt verschießt auch noch Schweinsteiger, der Mann mit der Elfmeterpotenz. Ei, ei, ei. Ein Gedanke kam mir heute auch: Hoffentlich ist Klose zur EM fit.

Eine Frage noch: Fand jemand außer mir (Amateur) den Müller-Wechsel seltsam?

Gleich packt sich Abramowitsch den Henkelmann, und das im Wohnzimmer von Uli Hoeneß. Der Fußballgott ist tot, Nietzsche hat Recht. Innerhalb von sechs Tagen gewinnen die Turbokapitalisten aus Manchester und London zwei große Titel. Ist das der Höhepunkt der neoliberalen Fußballepoche?

Beckenbauer über Abramowitsch: „Das ist ein ganz bescheidener Typ.“ Was soll man dazu sagen?

Was sagt eigentlich Birgit Homburger?

Eine Reportage und einen Kommentar lesen Sie hier am Sonntag.

4:5 Drogba verlädt Neuer. Der FC Chelsea gewinnt die Champions-League 2012 in München. Gibts nicht.

In Düsseldorf wär das nicht passiert, oder?

Sat1 schaltet knallhart auf Werbung. Ich kanns nicht fassen. Pietätlos, das meine ich nicht ironisch.

Schweinsteiger hat seine Eier diesmal nicht wiedergefunden: Pfosten, von Cech abgelenkt? Aua.

4:4 Cole genauer gehts kaum.

Cech hält gegen Olic. Gar nicht unplatziert, aber irgendwann musste Cech einen halten.

4:3 Lampard mittig, hoch, fest

4:2 Neuer Der Tormann als dritter Schütze? Mutig. Cech fast dran.

3:2 David Luiz

3:1 Gomez Cech ahnte die Ecke schon wieder.

Neuer hält gegen Mata.

2:1 Lahm Der Captian, aber Cech war dran.

Stand nach 120 Minuten 1:1 Chelsea schafft es tatsächlich mit dieser „Leistung“ ins Elfmeterschießen.

Spannende Fragen: Was macht Robben? Wer gewinnt, Neuer oder Cech? Schießt der beste Bayer, Lahm? Oder so: Deutschland gegen England im Elfmeterschießen – da kann ich ja ins Bett gehen.

114′ Chelsea nimmt weiterhin nicht an dem teil, was man so landläufig Spiel nennt.

112′ Bayern sucht die Entscheidung. Robben und Lahm im Doppelpass, doch Cahill und Luiz verteidigen Gomez.

108′ Was für ne Chance! Schöne Flanke Lahm, dem besten Bayern, Olic will ihn auf van Buyten quer legen, aber der bleibt stehen. Den konnte van Buyten nicht kriegen, den muss Olic selbst machen.

105′ Seitenwechsel Verlängerung 1:1 Die Bayern bleiben am Drücker, aber das ganze wird nun ungenauer. Ribery ist raus, Robben hängt wohl am verschossenen Elfer. Kroos wird ungenauer im Passspiel.

99′ Was war das für ein Ding mit dem gelben Wasserball beim Elfer? Ein Zeichen? Wofür?

95′ Robben verschießt den Elfer. Warum schießt nicht der Gefoulte? Nein, warum schießt nicht Schweinsteiger? Engländer werden das eh nicht verstehen: Da stehen so viele Deutsche auf dem Platz, und dann lassen die einen Holländer schießen.

Aus der Rubrik Stürmer im eigenen 16er: Drogba knickt Ribery ein, der ausgewechselt werden muss. Richtige Elfmeterentscheidung.

Olic kommt.

90+5′ Stand nach regulärer Spielzeit 1:1 Da stellt sich Chelsea 88 Minuten tot. Und jetzt gehts in die Verlängerung. Soll ich das jetzt clever nennen, zynisch, glücklich, effektiv, minimalistisch? Ist bei Chelsea System dahinter? Den letzten Freistoß gerade, den hat doch Drogba absichtlich drüber geschossen, oder she ich schon Gespenster?

88′ Tor für Chelsea 1:1 Drogba Erste Ecke Chelsea (17 für Bayern) – an den kurzen Pfosten, Drogba mit einem unglaublich wuchtigen Kopfball, Neuer mit den Händen noch dran. Gibts nicht.

Ich hab vorhin die Entscheidung ausgerufen. Zu früh. Ein vorzeitiger Erguss. Nennt mich Düsseldorfer!

99-Vergleiche sind hier verboten. Aber der Müller-Wechsel … remember Matthäus and Fink!

87′ Müller raus, van Buyten rein.

83′ Tor für Bayern 1:0 Müller Flanke Kroos an den langen Pfosten, Müller drückt ihn auf den Boden, er prallt über Cech an die Unterkante der Latte. Die Entscheidung.

Abramowitsch wählt einer Hamburger Nummer. Blohm & Voss muss noch mal an die Säge.

80′ Der Kollege Spiller zwitschert: „Chelsea hat jetzt endgültig die Abramowitsch-Yacht vor dem eigenen Strafraum geparkt.“

Wenn sie nicht zersägt in einem Dock im Hamburger Hafen liegt …

78′ Müller. Kannste mehr draus machen als drei Meter vorbeischießen.

73′ Ok, ich will das Chelsea-Tor mal nicht herbeireden. Plötzlich kommt Drogba links durch. In der Mitte rettet Contento.

Drei Strafraumaktionen von Chelsea in den letzten 2 Minuten. Kommt da jetzt doch noch was?

Bertrand geht, Malouda kommt.

69′ Das kann Chelsea nicht über die Zeit retten, oder? Sie stehen mit elf Mann am Sechzehner, kommen kaum noch mit Ball über die Mittellinie.

60′ Bayern weiterhin die gefährlichere Mannschaft. Chelsea mit zu vielen Spielern über dem Zenit. Vielleicht macht sich der Aderlass zum HSV jetzt doch bemerkbar.

57′ Frage aus der Community: Wie viele Facebook-Aktien hat Abramowitsch gekauft?

54′ Abseitstor Ribery. Entscheidung knapp richtig. Wer Nachhilfe braucht – hier gibts Regelkunde von einem temperamentvollen Hessen.

48′ Abramowitsch soll vor Jahren angeblich seine Yacht, die längste der Welt, von Blohm & Voss auseinandersägen und verlängern haben lassen, weil ein Mexikaner inzwischen eine noch längere Privatyacht gebaut hatte. Das Spiel wiederholte sich dann mit einem Araber. Es geht um den Längsten, stupid.

46′ Es geht weiter. Es kann doch nicht die Taktik einer englischen Fußballmannschaft sein, sich gegen eine deutsche ins Elfmeterschießen zu retten.

21:44 Kommentar freiburger: „Für einen großen Fußballabend fehlen einfach die Dortmunder.“ Vorsicht, freiburger, hier sind religiöse Gefühle im Spiel.

Sat1 ohne einen Ansatz von Analyse durch die Halbzeit. Nur Werbung.

Halbzeit 0:0 Ein einseitiges Finale bislang. Bayern sehr aktiv und ballsicher. 16:2 Torschüsse. Robben, Ribery und Müller rotieren viel, kombinieren sich immer wieder bis zum Strafraum. Aber noch ist es zu brotlos, auch weil Gomez zu viel verdaddelt – und von den 16 Schüssen halt 14 nicht aufs Tor gingen.

Hinten alles sicher: Lahm ist sehr stark im Zweikampf, weder Contento noch Tymoshchuk sind Schwachstellen. Robben und Ribery mit Fleißkärtchen. Von Chelsea ist kaum was zu sehen. Ein bisschen Drogba, ein bisschen Mata – das wars. Und Cech im Tor. Die Abwehr macht keinen sattelfesten Eindruck. Man hat den Eindruck, mit einem einzigen Bayerntor wär das Spiel entschieden. Chelsea, ist das alles?

Hoeneß betet auf der Tribüne. Von Abramowitsch‘ Reaktion haben wir noch keine Info.

42′ Gomez – noch nicht sein Spiel. Weit drüber mit links, dicke Chance. Zu viel Rücklage, sagt der Jugendtrainer.

40′ Tymoshchuk mit der Strategie, die der TV-Experte Beckenbauer vor dem Spiel angesagt hat: mal mit einem abgefälschten Fernschuss versuchen.

37′ Ok, Chelsea spielt mit. Starke, schnelle Kombination, inklusive Seitenwechsel, findet Kalou. Doch keine Gefahr für Neuer.

36′ Bayern nähert sich. Contento, der weiße Alaba, der sehr gut im Spiel ist, flankt auf Müller, der zentral mit links volley knapp verzieht.

34′ Mata löffelt einen Freistoß aus zwenzig Metern ein halbes Tor drüber. Neuers Hände noch ohne Ballkontakt.

31′ Am fleißigen Abwehrverhalten von Robben und Ribery kann man erkennen: Es ist Champions League. So oft, wie die beiden heute in den ersten dreißig Minuten hinten ausgeholfen haben, haben sie das im DFB-Pokalfinale nicht in neunzig getan.

28′ Chelsea, ist das alles?

21′ Robben, der viel rotiert, kommt über halblinks durch und zieht aufs kurze Eck. Cech, obwohl ihm die Sicht versperrt ist, mit starker Fußabwehr. Beste Chance des Spiels. Es riecht bisher nach einem Bayern-Sieg.

16′ Drogba zum ersten Mal am Boden. Ausgerutscht. Immerhin wisssen wir jetzt: Er spielt mit. Die Kopfballduelle waren bislang kein Problem für Tymoshchuk und Boateng.

8′ Robben kommt in seiner Position mit seinem starken Linken zum Schuss, doch der geht in den Wolken. Hohes Tempo der Bayern, Chelsea verteidigt.

5′ Eine sehr aktive Anfangsphase der Bayern beschließt Kroos mit einem gefährlichen Schuss aus 20 Metern.

3′ Gelb Schweinsteiger wegen Handspiel in der gegnerischen Hälfte. Nicht gut.

1′ Es geht los. Motto heute von Charlie Harper: Chelsea weghauen!

20:43 Was machen die denn mit der Champions-League-Hymne, was machen die denn mit unserem Händel?

20:30 Das Bild, das Uli seit Wochen in seinen Nächten verfolgt: Vor seinen Augen verschwindet Abramowitsch mit dem silbernen Henkelmann in den Katakomben der Arena Fröttmaning. Dagegen ist Dantes Inferno eine Naturidylle. Das wäre ein Fall für Gerhard Richter (den Abramowitsch dann wiederum ersteigern könnte).

20:20 Jetzt, wo ich den bwin-Werbeclip der Bayern auf Sat1 sehe und an die gestrige Diskussion anschließe – ich hab mal 50 Euro auf Müller als Torschützen gesetzt.

Und ich trage eine rote Krawatte.

Auch live dabei:

    allesaussersport
    11 Freunde
    Christian Spiller, unser Twitterer im Stadion

Wer noch ein bisschen Zeit für Lektüre hat: Der Economist würdigt die wirtschaftliche und sportliche Solidität der Bundesliga.

20:05 Was macht eigentlich Sat1 da seit heute morgen? Ich hab vorhin mal kurz reingeschaltet, da quatschte Reiner Calmund von Tschelsi und Münschen und janz Deutschland. So schnell konnt ich gar nicht wegschalten. Kam noch irgendwas mit Inhalt in den neun Stunden Vorbericht?

19:48 Aufstellungen

Bayern Neuer – Lahm, Tymoshchuk, Boateng, Contento – Schweinsteiger, Kroos – Robben, Müller, Ribéry – Gómez
Chelsea Cech – Cole, Cahill, Luiz, Bosingwa – Lampard, Mikel – Bertrand, Mata, Kalou – Drogba

19:35 In einem weiteren Punkt sind sich Hoeneß und Abramowitsch nicht unähnlich. Sie wollen keinen übermächtigen Trainer unter sich und über der Mannschaft. Hoeneß hat van Gaal gefeuert, weil der sich zu wichtig nahm. Abramowitsch schmiss Mourinho raus, weil Abramowitsch nicht viel von Fußball versteht der ihm zu aufmüpfig wurde. Es spielen heute keine Trainermannschaften gegeneinander, das ist außergewöhnlich in Zeiten Guardiolas und Klopps (die heute alle zugucken). Allenfalls kann man sagen, dass beide Teams von ihren alten Trainern etwas mitgenommen haben. Van Gaal wirkt mit seinem strukturierten Ballbesitzfußball in Bayern nach, Mourinho in Chelsea, obwohl er dort seit fünf Jahren nicht mehr ist. Das hören übrigens nicht alle Bayern gerne.

Wenn auch Trainerhandschriften heute keine große Rolle spielen werden – auf Taktik kommt es natürlich an. Drei Empfehlungen zur Vorbereitung:

    Zonalmarking
    der englische Taktikguru Jonathan Wilson
    und eine neue Dissertation von Spielverlagerung

Da beide Teams auf wichtige Abwehrspieler wegen Sperren verzichten müssen, könnten viele Tore fallen. Zumal das Bayern-Mittelfeld sehr offensiv ausgerichtet ist (Schweinsteiger, Kroos auf der 6). Und man sich fragen muss, wie Chelsea Ribery und Robben verteidigen kann – und die Bayern Drogba. Oder es kommt anders, und beide Teams gehen es eher vorsichtig an.

18:45 Ist das heute wirklich ein Duell der Gegensätze? Ja, in vielerlei Hinsicht, aber auch Nein. Ja, denn es ist Bundesliga gegen Premier League, also Soziale Marktwirtschaft gegen Manchester-Kapitalismus. Hier moderate Ticketpreise und Vereinskultur, dort hohe Preise und Umsatzrekorde. Hier der bodenständige Mittelständler Uli Hoeneß, der Ludwig Erhard des Fußballs, dort Roman Abramowitsch, der neureiche Investor, der im russischen Monopoly der 90er der Glücksjäger war, und heute Luxus und teure Spieler liebt. Hier Vereinstreue und Verwurzelung, dort globalisierter, freier Kapitalverkehr. Hier organisches Wachstum, dort beidhändiges Prassen.

Ein bisschen nein, denn so ganz stimmt dieser Gegensatz natürlich nicht. Die Bundesliga ist nicht immer und überall der Hort der Solidität, für den sie sich ausgibt. Und die Bayern und Hoeneß? In Bayern stinkt Geld auch nicht, und Abramowitsch kann man sicher die Liebe zum Fußball nicht absprechen. Den Schwaben und den Russen eint vielleicht mehr als es auf den ersten Blick scheint.

Und 11 gegen 11 spielen sie übrigens auch …

17:05 „Und ich verspreche euch: Nächstes Jahr holen wir den Europapokal!“ Das rief ein euphorisierter Jupp Heynckes vom Balkon den jubelnden Bayernfans auf dem Marienplatz zu. Es war die Meisterfeier 1990, anderthalb Jahre später wurde Heynckes entlassen – ohne Europapokal. Heute, im Finale dahoam, kann Heynckes liefern. Und wenn er liefert, dann wird man ihm die unwesentliche Verzögerung von einundzwanzig Jahren sicher nicht nachtragen.

Heynckes‘ damaliger (jugendlicher kann man nicht sagen, denn er war ja schon 45) Übermut fand einen Nachhall. Fans gegnerischer Mannschaften (ich glaube, die Urheber waren Frankfurter) karikierten Heynckes mit folgendem Song, der heute in vielen deutschen Stadien gesungen wird:

16:55 Chelsea war in den 60ern ein sehr angesagter Stadtteil, eine Künstlerszene im Zentrum von London. Der FC Chelsea galt als cooler Verein, schreibt die SZ heute auf Seite Drei. Seine Fußballer ließen es sich gut gehen, feierten mit den Rolling Stones. Das Sexsymbol der später 60er, Raquel Welch, ließ sich in einem Chelsea-Trikot und einem Colt ablichten. Rocken war für den Club wichtiger als gewinnen. Die Band Marillion spielt in „Chelsea Monday“ (1983) auf dieses „Glitter Town“-Image des Stadtteils an:

Das ist alles lange her – das Sex-Appeal des Stadtteils und des Fußballvereins. Und Marillion, der Genesis-Abklatsch. Mein Gott, dieser Hall, diese Gitarrenschnörkel, diese klebrigen Synthesizertapeten und diese weinerliche Falsettstimme! Der Sänger, Fish, hat sich immer bunt angemalt, das sollte ein phantastisch-verträumtes Rollenspiel sein. Dabei hatte er von einem Harlekin noch weniger als Pierre Brice von einem Indianer. Trotzdem, ich hab Marillion damals rauf und runter gehört … andererseits, es gibt schlimmere musikalische Jugendsünden.