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Trotz Skandalen: Alles im grünen Bereich

 

Die Spiele haben noch gar nicht begonnen, da haben sie schon ihren ersten Skandal. Oder sind es bereits zwei? Zuerst wurde beim Fußballspiel der Nordkoreanerinnen gegen Kolumbien von allen möglichen 200 falschen Flaggen ausgerechnet die südkoreanische neben den Namen der Spielerinnen eingeblendet. Skandal Nummer zwei: Mitt Romney, olympischer Organisator von 2002 (Winterspiele Salt Lake City) und amerikanischer Möchtegern-Präsident auf europäischer goodwill-Tour, bezweifelt, dass die Briten als Nation olympiareif sind. „Werden sie wirklich zusammen den olympischen Moment feiern?“, fragte er im US-Fernsehen skeptisch.

Foto: Christof Siemes

Das geht natürlich gar nicht, dass die Spiele mit einer Panne beginnen und die ehemalige Kolonie gegen das Königreich aufmuckt, also musste der Premierminister David Cameron persönlich ran zum Scharte auswetzen. Bei einer open-air-Pressekonferenz direkt vor dem Olympiastadion wurde ausnahmsweise mal nicht er gegrillt wegen irgendwelcher Abhör-Skandale, sondern uns Journalisten wurde heiß, als wir in der stechenden Sonne auf ihn warten mussten, bis er ganz vorbildlich den Olympic Park mit öffentlichen Verkehrsmitteln und zu Fuß erreicht hatte. An der Seite von Organisationschef Sebastian Coe trat Cameron mit patriotischer Verve den drohenden Schwelbrand aus: Keine diplomatischen Verwicklungen mit Nordkorea, wir haben uns entschuldigt, jetzt bloß nichts aufblasen, war die Botschaft Nummer eins. Nummer zwei: „Wenn ich Mitt Romney heute Abend treffe, werde ich ihm sagen, dass wir das VEREINIGTE Königreich sind.“ Und dann kriegte er sich gar nicht mehr ein vor lauter Begeisterung darüber, was seine Landsleute alles bewerkstelligt haben in den sieben Jahren seit der Vergabe der Spiele nach London.

Foto: Christof Siemes

Dazu muss man wissen, dass sich die Briten als Ex-Weltmacht nicht nur im Fußball mit Minderwertigkeitskomplexen plagen. Auch bei anderen Großprojekten misstrauen sie sich – aus Erfahrung. Länger als ein Jahrzehnt zum Beispiel bauten sie an einer neuen British Library – und am Ende waren die Fußböden zu schwach, um die Bücher zu tragen. Aber jetzt haben sie eine Industriebrache in einen Olympischen Park verwandelt, in dem es wirklich grünt und blüht wie auf einer Alpenwiese. „Britain can deliver!“, rief Cameron, wir Briten bringen das! Und dann lieferte er eine Lektion in pep talk, von der sich Angela Merkel einen Mitschnitt besorgen sollte: Weltklasse-Veranstaltung, mit der wir nicht nur eine Stadt erneuern, sondern die Ambitionen eines ganzen Landes, einer ganzen Generation! Für die Sicherheit der Spiele übernahm er auch noch gleich persönlich die Verantwortung, was ihm mit der „finest army in the world“ im Rücken offenbar nicht schwerfiel.

Nur bei einer Sache stahl sich der Premier aus der Verantwortung: die Eröffnungsfeier. Die Musik von den letzten Proben schwappte aus dem Stadiontopf hinter ihm herüber, als er zwar zugab, über den Ablauf und die großen Momente im Bilde zu sein. „Aber ich bin nicht der Regisseur und ich weiß gar nicht, wie Danny Boyle all die großartigen Momente der englischen Geschichte in ein paar Stunden unterbringen will.“

Foto: Christof Siemes

In jedem Fall werden auch bei der Eröffnungsfeier grüne Aspekte eine wichtige Rolle spielen. Während der ganzen Pressekonferenz wurden gleich nebenan unermüdlich echte Blumenteppiche gewässert, die offenbar im Stadion verlegt werden.

Mitten im Herzen einer von Verkehrskollaps und Finanzkrise gebeutelten Stadt wird morgen Abend das ländliche England gefeiert. Auch eine Menge echter Ähren, liebevoll von Hand einzeln in Styroporblöcke eingepflanzt, werden dabei eine wichtige Rolle spielen. Wir vor Ort konnten uns überzeugen: Die Briten sind zu allem bereit, da kann Romney sagen, was er will.