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Olympia-Splitter IV: Skispringerinnen, die Mary Poppins des 21. Jahrhunderts

 

Die Geschichte der Frauenbewegung reicht zurück bis ins 19. Jahrhundert. Ihren ersten Höhepunkt erlebte sie zu Beginn des 20. Jahrhunderts in Großbritannien und den USA, als die Suffragetten das Wahlrecht erkämpften. Ihr Accessoire war der Regenschirm. Frauen, an die Schirme! Ihre Protestformen waren passiver Widerstand, Hungerstreiks, Störungen von Veranstaltungen und öffentliches Rauchen, was Männer vorbehalten war. Literarisch und musikalisch schön aufgearbeitet ist der Stoff in Mary Poppins:

Zu jener Zeit, 1908, sprang auch die erste Frau von einer Skischanze (ohne Zigarette, soweit man weiß): Gräfin Paula Lamberg aus Kitzbühel, Tochter von Hugo Anton Emil Reichsgraf von Lamberg. „Im langen Rock und tadelloser Haltung“ landete sie bei 24 Metern, heißt es in den Chroniken. Das ist deutlich weiter als so mancher Mann heute. Wir haben keine Bewegtbilder, aber wir dürfen uns Frau Gräfin wie Mary Poppins vom Himmel schwebend vorstellen.

Am Dienstag um 18.30 Uhr (live in der ARD) können wir in Sotschi die Mary Poppins des 21. Jahrhunderts beobachten. Zum ersten Mal stören springen Frauen bei Olympia und zwar deutlich weiter. Den Rekord hält Daniela Iraschko-Stolz mit 200 Metern, wie die Gräfin aus Österreich.

Das wurde aber auch Zeit für die Olympia-Reife, und sie sollte selbstverständlich sein. Ist es aber nicht. Alexander Arefjew, der Trainer der russischen Männer, sagte jüngst: „Ich bin gegen Frauen-Skispringen. Skispringen ist schwierig und traumatisch. Wenn sich ein Mann verletzt, ist es nicht schlimm. Wenn sich eine Frau verletzt, kann es böse enden.“ (Wobei man sich fragen kann, ob das nicht nur frauen-, sondern auch männerfeindlich ist. „Wenn sich ein Mann verletzt, ist es nicht schlimm.“ Hallooo!)

Wer die New York Times anklickt, kann sich diesen Sport multimedial erklären lassen. Wer die Neue Zürcher Zeitung liest, weiß, dass damit nur noch zwei olympische Disziplinen Männern vorbehalten bleiben: das 50-Kilometer-Gehen im Sommer und die Nordische Kombination im Winter. Demgegenüber stehen Synchronschwimmen und die Rhythmische Sportgymnastik, zwei reine Frauensportarten. Hoffen wir, dass sich das bald ändern wird. Es wird Zeit, den Spieß umzukehren. Männer, an die Reifen!

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Dutzende Schneemaschinen rattern über die Pisten Sotschis. LKWs schaffen neuen alten Schnee heran. Den hatte man vorsorglich im letzten Winter aufgehoben und in riesigen Lagerhallen untergebracht. Eine weise Entscheidung, wie sich jetzt zeigt. Denn bei den wärmsten Winterspielen aller Zeiten macht sich der weiße Niederschlag rar.

Auf über 15 Grad Celsius stieg das Thermometer am Montag. Das ist auch für eine der südlichsten Städte Russlands ein Rekord. Normal sind dort im Februar Temperaturen zwischen 3 und 10°C. Diesmal ist alles anders.

Frühling liegt in der Luft. Statt dicken Pullovern, Mützen und Schals hätten die Athleten mal lieber Badesachen einpacken sollen. Die japanischen Eishockey-Frauen haben immerhin kurze Hosen dabei.

Dazu passt ein herrlicher Fund der ARD in ihrem Archiv: ein Porträt von Sotschi aus dem Jahr 1966, der Sommerresidenz Stalins, der „Amüsieroase erholungsbedürftiger Stakhanovisten“. Der Schlafanzug sei aus der Mode gekommen auf der Promenade, erfahren wir über die damalige Verwestlichung, soll man sagen: Nizzaisierung, Sotschis. „Und die puritanische Heilbäderstille der Stalinzeit hat der Donnerhall der heißen Rhythmen aus dem Repertoire des Klassenfeinds zerrissen.“

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Bei dem Wetter ein kühles Bierchen am Strand trinken, das wär doch was. Und natürlich ist in Sotschi für alles gesorgt: Ein Kühlschrank voller Freibier steht bereit. Um ihn zu öffnen, braucht man lediglich kanadische Freunde. Denn nur mit einem kanadischen Pass lässt sich der Kühlschrank öffnen.

Abgefüllt werden sollen die kanadischen Sportler auf diese Weise aber nicht. Kanadas größtes Brauunternehmen Molson will mit der Aktion nur auf sich aufmerksam machen. Interessenten gibt es im olympischen Dorf bestimmt genug.

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Zum Abschluss die tägliche Dosis Politik: „In russischen Medien wird Putins Elan für die Olympischen Spiele bereits mit jenem des Zaren Peter des Großen verglichen, der im 18. Jahrhundert ein Sumpfgebiet an der Ostsee trockenlegte“, schreibt die NZZ über Wladimir, den Superzar. Und wer mehr über die politischen, wirtschaftlichen, ökologischen und sportpolitischen Hintergründe der Sotschi-Spiele und vor allem über Putin wissen will, nehme sich eine halbe Stunde Zeit für eine Folge Jung & Naiv, der Sendung für „Politik für Desinteressierte“, wie es in der Selbstbeschreibung heißt. Zu Gast: Jens Weinreich. Stehen zwei äußerlich ähnliche Typen vor der Kamera, finde ich.

Mitarbeit: Juliane Dräger