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777 Millionen Tausendstelsekunden Olympia

 

Können Sie sich vorstellen, wie lang eine Tausendstelsekunde dauert? Also klar, eine Tausendstelsekunde oder 0,001 Sekunden, aber wie lang soll das genau sein?

Wir haben mal nachgeschaut: Der Schall kommt in einer Tausendstelsekunde, auch Millisekunde genannt, etwa 34 Zentimeter weit. Das Blitzlicht einer Kamera dauert etwa eine Tausendstelsekunde, der Wimpernschlag des menschlichen Auges etwa 300 bis 400 Tausendstel. Wissenschaftler haben mal herausgefunden, dass man eine Pause von einer Millisekunde zwischen zwei Tönen nicht als Pause wahrnimmt. Die Reizschwelle beträgt drei Tausendstel. Das entspricht auch dem Flügelschlag einer Stubenfliege.

Was das alles soll? Drei Tausendstelsekunden, also die Musikreizschwelle und der Stubenfliegenflügelschlag, trennten am Wochenende die Eisschnellläufer Zbigniew Bródka aus Polen und Koen Verweij aus den Niederlanden. Bródka gewann Gold, Verweij Silber, weil er drei Tausendstel oder umgerechnet auf die 1.500-Meter-Strecke knapp vier Zentimeter eher im Ziel war. Verweij ärgerte sich etwas, und freute sich über die Anteilnahme.

 

Im Wintersport gibt es immer wieder knappe Entscheidugen. Das inspirierte etwa die Kollegen der New York Times vor vier Jahren zu einer netten Spielerei, in der sie alle Zeitabstände bei den Winterspielen akustisch darstellten. Heraus kam eine Art olympisches Musical.

Auch wenn es überall knapp zugeht, Tausendstelsekunden werden nur in einigen Disziplinen gemessen. Beim Abfahrtslauf der Damen gab es zum ersten Mal Doppelgold, Tina Maze aus Slowenien und Dominique Gisin aus der Schweiz fuhren beide bis auf die Hundertstel die gleiche Zeit. Die Tausendstel, also ein Sieger, wurden zwar auch erhoben, aber nicht veröffentlicht. So sind die Regeln.

Im Eisschnelllaufen führte man die Tausendstel erst 1998 ein, als das deutsche Frauenteam bei den Olympischen Spielen in Nagano mit 0,02 Sekunden vor Japan Gold gewann. Auch im Rodeln entscheiden die Tausendstel, seitdem 1972 in Sapporo der Thüringer Doppelsitzer von Horst Hörnlein/Reinhard Bredow sowie Paul Hildgartner/Walter Plaikner aus Italien ihre Rennen auf die Hundertstel zeitgleich beendeten und beide Teams mit Gold bekamen. Zur bisher knappsten olympischen Entscheidung kam es 1998, als die Oberhoferin Silke Kraushaar in Nagano mit nur zwei Tausendstelsekunden vor ihrer Teamgefährtin Barbara Niedernhuber Gold gewann.

Und weil das alles viel zu schnell ging, hier einmal 178.000 Tausendstelsekunden im Video.

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Gut eine Woche, oder etwa 777.600.000 Tausendstelsekunden, laufen die Olympischen Spiele jetzt. Und es ist etwas ruhig geworden rund um die Sotschi-Dauerthemen (Menschenrechte, Umweltschutz, Putin). Der Sport regiert, und viele, die genervt sind vom medialen Dauerfeuer meinen, das sei auch gut so. Aber weg sind die Probleme natürlich nicht. In diesen Tagen wird wieder viel über den Fall von Jewgenij Witischko geredet.

Der 40-jährige Geologe war derjenige, der am stärksten die Umweltsünden der Olympischen Spiele anprangerte. In der vergangenen Woche bestätigte ein Gericht die Strafe, die er erhalten hatte, weil er einen Zaun beschmierte, der rings um die Villa des Regionsgouverneurs errichtet wurde: Drei Jahre Lagerhaft. Oder 315 Milliarden Tausendstelsekunden. Witischko sitzt in seiner Heimatstadt im Arrest und muss nun täglich befürchten, abgeholt zu werden.

Nun hat sich auch Deutschland in diesen Fall eingeschaltet. Bei einem Besuch in Sotschi am Sonntag sagte der Innenminister Thomas de Mazière: „Das Strafmaß bei einem Protest am Zaun eines Gouverneurs ist nach unserer Rechtsordnung ziemlich unverhältnismäßig. Keine Frage.“

Das IOC dagegen fühlt sich nicht bemüßigt, einzugreifen. „Nach unseren Informationen hat er gegen geltendes russisches Recht verstoßen“, sagte Präsident Thomas Bach.

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Was passiert, wenn man sich nur eine Tausendstel-Olympia-Sekunde lang gehenlässt, zeigen diese Schnappschüsse: Gesichter des olympischen Eiskunstlaufes.