Der spannendste Zweikampf wurde in einem TV-Studio nach dem Spiel ausgetragen. Franz Beckenbauer im edlen Zwirn und ein verschwitzter Mark van Bommel, im weißen „Finale“-Shirt. „Euer Fußball war vor Wochen nicht mitanzuschauen“, sagte Franz Beckenbauer und bezog sich auf einige Auftritt der Bayern in der Vorrunde. „Das Idee war das Gleiche“, konterte Mark van Bommel. Nur die Ergebnisse waren anders. Und wie.
Noch im Oktober, in der Vorrrunde, verloren die Bayern im ebenfalls französischen Bordeaux mit 1:2 und man musste sich Sorgen um Louis van Gaal und den FC Bayern machen. Nun, ein halbes Jahr später, ziehen die Bayern mit einem 3:0 in Lyon so souverän ins Finale der Champions League ein, wie noch nie eine deutsche Mannschaft zuvor.
Ivica Olic traf dreimal und sorgte dafür, dass sich die Bayern eigentlich nie um den Finaleinzug sorgen mussten. Die Mannschaft von Louis van Gaal brauchte etwa zehn Minuten um ins Spiel zu finden, kontrollierte dann aber die Partie. Spätestens nach der Gelb-Roten Karte gegen Lyons Cris beim Stand von 0:1 war das Spiel entschieden.
Vorbemerkungen
Der FC Bayern ist nur noch ein Spiel entfernt vom großen Champions-League-Finale. Im Stade de Gerland, übrigens nicht benannt nach dem Münchener Talenteformer Hermann Gerland, müssen die Bayern dazu bekanntlich nicht einmal gewinnen.
Doch die Bayern haben nicht unbeträchtliche Personalsorgen. Die komplette Innenverteidigung lahmt, Ribéry und Pranjic sind gesperrt und selbst die Einspringer Timoshchuk und Klose sind nicht fit. Zeitweilig muss Louis van Gaal kurz überlegt haben seine Frau Truus in die Innenverteidigung zu stellen.
Lyon hat übrigens in dieser Champions-League-Spielzeit noch keine Heimpartie verloren.
So wollen sie spielen.
Olympique Lyon: Lloris – Reveillere, Cris, Boumsong, Cissokho – Gonalons, Makoun – Govou, Delgado, Michel Bastos – Lisandro Lopez
FC Bayern München: Butt – Lahm, van Buyten, Badstuber, Contento – Schweinsteiger, van Bommel – Robben, Hamit Altiontop, T. Müller – Olic
Gute Stimmung in Lyon, da wackelt nicht nur die Kamera.
Van Buyten kann also doch spielen, Frau van Gaal demnach aufatmen. Altintop macht heute den Ribéry. Er sollte sich zweikampftechnisch also von Herrn Lisandro Lopez fernhalten.
Der Bayern-Kader mag ausgedünnt sein, das hiesige Expertengremium ist anständig besetzt. Unterstützt werden wir heute von unserem Politikpraktikanten, Typ Sturmtank.
3. Minute: Das ist wohl das was man eine Großchance nennt. Olic legt quer und Müller kommt so frei zum Abschluß wie er in den nächsten 87 Minuten wahrscheinlich nie wieder kommen wird. Er schiebt den Ball knapp links am Tor vorbei. Und rauft sich danach das Haupthaar.
4. Minute: Im Augenblick die Bayern im Finale! Sagt schlau der Free-TV-Reporter.
Eines ist jetzt schon klar. Sollte das hier heute schief gehen, werden wir diese Müller-Chance noch in etlichen Zeitlupen sehen. Von hinten, vorne, oben und vielleicht auch unten.
9. Minute: Lyon schon jetzt mit mehr Verweildauer in der Bayern-Hälfte als im kompletten Hinspiel.
11. Minute: Gute Konterchance für den Ersatz-Ribéry Altintop. Der entscheidet sich aber für ein kompliziertes Anspiel auf Müller. Die einfachere Variante, Kollege Olic, übersieht er.
18. Minute: Ganz langsam übernehmen die Bayern die Kontrolle. Lyon scheint sich erst einmal ausgetobt zu haben.
23. Minute: van Bommel zeigt wie es geht. In den Gegner hüpfen und damit eine Gelbe Karte provozieren.
26. Minute: Tor für den FC Bayern. In Berlin-Mitte explodieren die Feuerwerkskörper. Und in Lyon explodiert Müller, der den Ball irgendwie zu Olic bringt. Der dreht sich und müllert den Ball ins Tor.
Wahrscheinlich freut sich auch Felix Magath gerade. Er drückt den Bayern die Daumen, sagte er unlängst, weil die dann in der Bundesliga nochmal straucheln sollen. So sitzt er nun im Schalke-Schlafanzug aus dem heimischen Sofa, lässt den Darjeeling noch etwas ziehen und grinst.
31. Minute: Bastos heißt auf portugiesisch “buschig”. Er ist bis jetzt der verhaltensauffälligste Lyonese, hatte gerade eben auch die beste Chance. Recht frei, zu frei. Nicht gut.
38. Minute: Der Ball ist jetzt hüben und drüben, mal hier, mal da.
39. Minute: Robben ist schon ein bisschen durchschaubar. Er hat keine Haare und zieht immer nach innen. Bis nach Zentralfrankreich scheint sich das aber noch nicht herumgesprochen zu haben.
Dem Praktikanten fällt die immer gleiche Geste des Arjen Robben auf. Eine Mischung aus royalem Winken und Luca-Toni-Ohrtorjubel.
Müdigkeit macht sich breit in den weiten Redaktionsräumen, ob der bajuwarischen Überlegenheit.
Liest das hier eigentlich irgendjemand? Uwe Bindewald?
Zeit für den Halbzeittee, nicht nur für Herrn Magath. Der kann zuschauen, wie Jogi Löw für viel Werbegeld anhand von Rasiercreme und Anti-Aging-Cremes und Pflegepeelings für Männer erklärt, wie er bald Weltmeister wird.
Die Community lebt, Gott sei Dank. Ob in Berlin-Mitte oder Kanada. Machen wir dies doch nicht nur für uns.
Mr Murphy hat Recht. Durch das Auswärtstor ist das Spiel fast ein bisschen langweilig geworden. Dass Lyon dreimal trifft ist ebenso wahrscheinlich wie der Klassenerhalt der Hertha.
Ein Wink auch nach Kenia und Jerusalem und wohin auch immer. Bemerkenswert, dieses Internetdingens.
Ist es denn wirklich so, dass wir heute alle Bayern-Fans sind, wie hier behauptet. Wenn ja, warum? Und wenn nicht, äh, auch warum?
Okay, das Spiel geht weiter. Persönliche Grüße gibt es jetzt nur noch für User in der Antarktis.
49. Minute: Viel passiert nicht. Deshalb: Bayern im Augenblick im Finale.
Der Kollege langweilt sich. Er geht jetzt zu Chatroulette. Er zuckt zusammen, sieht etwas, was er nicht sehen will und ist nun wieder voll dabei beim Sport.
53. Minute: Schweinsteiger mit schönem und scharfen Schuss aus 20 Metern. Knapp drüber. Aber auf Tore hat der sowieso keine Lust mehr. Er berauscht sich nun altersweise an gutem Stellungsspiel, sauberen Pässen und an dem ein oder anderem kühnen Tackling.
56. Minute: Uns wird in den Kommentaren unterschwellig vorgeworfen, wir seien nicht informativ. Deshalb jetzt Radioreportage: Abstoß Butt aus dem eigenen Fünfmeterraum, der Ball fliegt, dann steht Olic im Abseits, Lyon baut auf über Cris…Puh!
Kleine Stadtsoziologiestunde: Das Stade de Gerland, in dem das stattfindet, mit dem wir uns hier gerade beschäftigen ist übrigens nach dem Lyoneser Stadtviertel Gerland benannt. Unser multilingualer Praktikant liest uns aus Wikipedia vor, dass das Stadtviertel ein ehemaliges Industrieviertel war, dass nun mit Fahrradwegen und Eigentumswohnungen aufgehübscht werden soll. Gentrifizierung en francais.
60. Minute: Gelb-Rote Karte für Lyons Cris. Alle sechs hier anwesenden Augen haben nicht genau hingeschaut. War aber bestimmt verdient.
Es sieht ganz so aus, als ob die Bayern sich im Rest-Champions-League-Halbfinale für die schwierige Heimaufgabe gegen den VfL Bochum schonen können. Das wiederum dürfte Schlafanzugträger Magath nicht gefallen.
67. Minute: Tor für Bayern, wieder Olic. Das war es. Bayern fährt nach Madrid. Ersatz-Ribéry Altintop mit einem Pass, der selbst Ribéry nicht jeden Tag gelingt. Und Olic trifft, weil sich Lloris aufmerksam aus dem Schussweg wirft.
Der Fleischfreund weiß: Lyoner ist eine Brühwurst ohne Einlage. Stammt aus Lyon. Zu finden an der Wursttheke ihres Vertrauens oder gerade live im Stadion. Die Dunklen.
Wer ist eigentlich dieser Ribéry?
Fuzzy Barnes möchte aus Spannungsgründen auf die Länge der Nachspielzeit wetten. Bitte. Meine Kollegen tippen auf zwei Minuten, ich auf dreieinhalb.
Alles in allem eine wirklich beeindruckende Vorstellung der Bayern. Derart souverän ist wohl noch nie eine deutsche Mannschaft in ein europäisches Finale eingezogen.
76. Minute: Jetzt werden selbst die Robben-Auswechslungen harmonisch.
78. Minute: Wieder Tor, wieder Olic. Er trifft per Kopf und jubelt etwas verschämt. Mittlerweile ist auch Miro Klose auf dem Platz. Das heißt: Die Bayern sind sich ihrer Sache sicher.
Jetzt darf auch David Alaba einmal Halbfinal-Luft atmen. Martin Fenin ist zum Glück weit genug weg, irgendwo in Frankfurt.
Das ist alles erschreckend souverän, was die Bayern hier abliefern. Und so ein Auftritt wird sicherlich gerade in zwei Hotelbars in Barcelona verfolgt. Dort sitzen Inter Mailand und der FC Barcelona, lockern sich für ihre Partie morgen und wissen, dass im Finale ein echter Brocken wartet.
87. Minute: Das Spiel plätschert jetzt langsam aus. Wie „The End“ von The Doors. Passt zumindest für die französischen Brühwürste.
Bei aller Stärke der Bayern, irgendwie hat man nach diesen 180 Minuten gegen Lyon das Gefühl, dass die Franzosen das Halbfinale in irgendeinem Preisausschreiben gewonnen haben. In so einer Verlosung von einer Brauerei, bei der Thekenmannschaften sich mit einem Video bewerben können.
Mist, zwei Minuten Nachspielzeit.
Aus. Das Spiel ist vorbei. Der FC Bayern gewinnt 3:0 in Lyon, fährt nach Madrid und hat schon die richtigen T-Shirts dabei.
Ein etwas aufgeregter Hansi Küpper befragt einen tiefenentspannten Ivica Olic. War es das Spiel ihres Lebens? „Wichtig ist, wir waren wie eine Mannschaft gespielt.“ Das hat ihm van Gaal genau so beigebracht.
Das war es dann auch von uns. Vielen Dank an alle für Kommentare, Lob und Kritik. Schlaft gut, wir sehen uns. Zum Abschluss noch der Link zu einer Carsten-Jancker-Bewunderungsseite, nur mal so. Wir finden es wäre Zeit für eine neue Bewunderungsseite: wer-braucht-messi-wenn-er-olic-hat.de