Am Mittwoch begann das Eishockey-Turnier der Männer. Ganz sicher eins der sportlichen Highlights der Spiele. Ich bin zu einer Zeit groß und Sportfan geworden, da war Eishockey hinter dem ewigen Fußball noch TV-Sportart Nummer zwei. Auf die fast jährlichen Weltmeisterschaften und die Olympische Turniere freute ich mich schon Monate zuvor. Kein Zufall, dass in Männer, dem Kinoerfolg Doris Dörries aus dem Jahr 1985, unsere beiden Charakterdarsteller Uwe Ochsenknecht und Heiner Lauterbach in ihrer WG Eishockey schauen (ich glaube, es kommentiert Günter-Peter Ploog: „Das Powerplay, das beherrschen die Deutschen bei diesem Turnier noch nicht.“):
Didi Hegen, Gerd Truntschka, Erich Kühnhackl, Udo Kießling, Xaver Unsinn – das sind Namen, die waren damals fast so bedeutend wie Schumacher, Rummenigge und Völler. Verehrt haben wir natürlich auch Tretjak und die anbetungswürdigen Makarow, Larionow und Fetisow, das Eishockeykollektiv der Trainerlegende Tichonow. Die UdSSR gewann in den Sechzigern, Siebzigern und Achtzigern die meisten großen Turniere. Von 1964 bis 1992 gab es bei Olympia nur eine Ausnahme in der Goldfrage: den Sensationserfolg der US-Boys 1980 in Lake Placid, das verfilmte Miracle on Ice.
Doch mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion schwand die Macht der „Sbornaja“. Bei Olympia gab’s seitdem kein Gold mehr. Das soll sich in Sotschi ändern, etwa mit dem NHL-Star Owetschkin, heute steigen die Russen ins Turnier ein. Eishockey war immer auch Kalter Krieg auf dem Eis, auch sozialistischer Bruderkampf, etwa das Duell zwischen der UdSSR und der ČSSR ein halbes Jahr nach dem Ende des Prager Frühlings. Vielleicht erklärt der historische Epochenwandel 1989/91 den Bedeutungsverlust des Eishockeys zum Teil. Natürlich ist eine weitere Ursache, dass die deutsche Bundesliga im Pay-TV verschwand.
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„Ein Zyniker ist ein Mensch, der von jedem Ding den Preis und von keinem den Wert kennt.“ Das ist ein Zitat von Oscar Wilde. Es beschreibt die Haltung der meisten Sportsponsoren ganz gut.
Eine Ausnahme ist der amerikanische Telekommunikationskonzern AT&T, Partner des Olympischen Komitees der USA. Er kritisierte Putins Homosexuellengesetz als „verletzend“. Die Süddeutsche Zeitung hat sich unter den deutschen Olympia-Sponsoren umgehört, wie sie über die Lage in Sotschi denken.
Ergebnis: Die einen äußern sich gar nicht oder weichen aus. Die anderen reagieren immerhin, allerdings mit vorgefertigten Textbausteinen, die ihnen offenbar der DOSB als Vorlage geschrieben hat. Krisen-PR per Copy & Paste, so geht’s zu im Sport.
Eine Ausnahme ist das Reiseunternehmen Dertour, es bezeichnet die Diskriminierung russischer Homosexueller als „erschreckend und mehr als heikel“. Von Adidas hingegen vernimmt man nur Worthülsen, etwa dass Sport ein Menschenrecht sei. Dazu muss man wissen: Bei Adidas regt sich ethisch nur etwas, wenn Götze Nike-Strümpfe trägt.
Man könnte es auch andersherum auslegen. Die Herzogenauracher stehen zu ihrer Unternehmenstradition. Adidas hat nämlich große Verdienste in der Entwicklung der Sportkorruption, der Gründer Horst Dassler hat ein Bestechungssystem im globalen Sport aufgebaut, das bis ins 21. Jahrhundert nachwirkt. Und er war bis zu seinem frühen Tod 1987 ein großer Förderer eines gewissen Herrn Blatter.
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Zum Abschluss das aktuelle Dossier über Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen. Wir zitieren: „In Russland haben mehrere repressive Gesetze die Medienfreiheit weiter eingeschränkt. Seit 2013 ist es verboten, in den Medien Schimpfwörter zu benutzen, religiöse Werte zu beleidigen oder für ’nichttraditionelle sexuelle Beziehungen‘ zu werben. Immer wieder werden Journalisten unter dubiosen Vorwürfen strafverfolgt. Das Fernsehen ist fast flächendeckend staatlich kontrolliert, und rechtzeitig vor den Olympischen Winterspielen in Sotschi verlor die unabhängige Nachrichtenagentur Rosbalt ihre Lizenz. Vor allem im Nordkaukasus werden immer wieder Journalisten ermordet; die Täter bleiben generell unbestraft.“
In der Rangliste ist Deutschland um 3 Ränge auf 14 geklettert. Im oberen Teil findet man hauptsächlich die Streber aus Nordeuropa. Die Russen stehen auf 148 von 180, also sogar noch hinter den NSA-Freaks aus den USA.