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Eier und Gemüse statt NPD-Sozialkongress in Bremen

 

"Sozialkongress" der NPD in Bremen
"Sozialkongress" der NPD in Bremen

Schon im Vorfeld hatte sich der seit Wochen angekündigte NPD-Aufmarsch in Bremen als Wasserschlag erwiesen. Ursprünglich für den 1. Mai angesetzt, waren Aufmarsch und Sozialkongress rund eine Woche vorher auf den 30. April verlegt worden. Wie Landeswahlkampfleiter Jens Pühse in einer Mail mitteilte, war die Vorverlegung eine Reaktion auf Vorschläge der Bremer Versammlungsbehörde, „uns […] in weit abgelegene Gebiete ‚abschieben’“. Tatsächlich aber drohte der Bremer Aufmarsch neben den für den 1. Mai angemeldeten in Greifswald, Halle und Heilbronn unterzugehen, denn die Aufmärsche aus der Kameradschaftsszene hatten bereits im Vorfeld eine weit höhere Aufmerksamkeit in der extrem rechten Szene geweckt. Auch Pühses Ankündigung „Desweiteren gehen wir am Sonnabend von einer erhöhten Mobilisierung aus“ erwies sich als Fehleinschätzung: nur 185 Neonazis zählte die Polizei am 30. April in Bremen, der überwiegende Teil reiste aus anderen Bundesländern an.

"Sozialkongress" unter der Hochstraße
"Sozialkongress" unter der Hochstraße

Die NPD in Bremen ist offenbar in einem desaströsen Zustand: zur Finanzierung ihres Wahlkampfs muss sie auf Darlehen aus Bayern zurück greifen und zu ihren Kundgebungen im Vorfeld des 30. April kamen gerade mal zwölf, bzw. 16 Anhänger. Auch der vollmundig angekündigte „Sozialkongress“ zum Thema „Soziale Sicherheit statt Raubtierkapitalismus“ entpuppte sich lediglich als Aneinanderreihung der üblichen NPD-Reden vor einem gemieteten Lkw.

Sozialkongress unter der Hochstraße

Doch bis zum Beginn des „Kongresses“ unter der Hochstraße am Bahnhof in der Neustadt müssen die anfänglichen 50 Neonazis erst einmal auf Verstärkung warten. Die kommt eine halbe Stunde nach dem angekündigten Beginn mit einem Bus aus Sachsen in Begleitung von Holger Apfel von der NPD-Fraktion im sächsischen Landtag, einzelne wenige Neonazis tröpfelten mit der Bahn ein. Von dem Lkw aus eröffnet Patrick Wiescke von der Thüringer NPD die Veranstaltung und entschuldigt zu Beginn die Vorsitzende der „Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige“ (HNG), Ursula Müller: Wegen eines Unfalls könne die mehrfach vorbestrafte 78-jährige nicht persönlich erscheinen. Das verlesene Grußwort der HNG sollte die Neonazis offenbar auf die eigne Szene einschwören: von einem „verkommenen System“ und einer „verlogenen Demokratie“ ist die Rede, der man die Gemeinsamkeit der Herkunft, des Schicksals und des Blutes entgegensetzen wolle. Nach einer weiteren Rede des NPD-Bundesvorsitzenden Udo Voigt setzt sich der

NPD-Führungsriege am Kopftransparent
NPD-Führungsriege am Kopftransparent

Aufmarsch mit einstündiger Verspätung durch weiträumig abgesperrte Teile der Bremer Neustadt in Bewegung. Auf Transparenten und Plakaten ist kein Wort vom „Raubtierkapitalismus“ zu lesen – stattdessen wird gegen „Multikulti“ und „Großmoscheen“ gehetzt.

Keine Resonanz in der Bremer Neustadt

Lautstärke kommt nur dort auf, wo Anwohner und Demonstranten den Neonazis zeigen, was sie von ihnen halten: In vielen Fenstern hängen Plakate „No Nazis“, auch die lautstarken Proteste der NPD-Gegner an den Polizeiabsperrungen sind nicht zu überhören. Wieschkes Aufforderungen, bei den Wahlen am 22. Mai für die NPD zu stimmen, stoßen bei den Anwohnern an der Aufmarschroute auf Ablehnung. Immer wieder fliegen Eier, Wasserbomben und Gemüse auf die Neonazis, die hinter Schildern und Regenschirmen Schutz suchen. Auch bei den Beschäftigten der Becks-Brauerei an der NPD-Route hinterlässt das Buhlen um Wählerstimmen offenbar keine Wirkung. An dem Gitter zum Werksgelände verkünden Plakate, wie man dort zur NPD steht: „Die Kolleginnen und Kollegen von Becks sagen: Kein Bier für

Patrick Wieschle auf der Suche nach dem Bürgerkontakt
Patrick Wieschle auf der Suche nach dem Bürgerkontakt

Neonazis“ heißt es darauf über einem durchgestrichenen Zapfhahn. Nach knapp 60 Minuten endet der Aufmarsch unter der Hochstraße am Bahnhof Neustadt mit Ansprachen des Bremer NPD Spitzenkandidaten Matthias Faust und Holger Apfel. Beide hetzen in bekannter Manier gegen „Fremdarbeiter“ und versprechen den Einzug in die Bremer Bürgerschaft. Währenddessen regt sich bei den Polizeikräften hektisches Treiben: Mehre Hundert NPD-Gegner haben die Bahngleise besetzt und den regionalen Zugverkehr lahmgelegt. Als Neonazis nach dem Ende der Kundgebung das Gelände zu Fuß verlassen wollen, werden sie von der Polizei gestoppt. Nur die NPD-Kader und der Reisebus können eine halbe Stunde später mit Polizeibegleitung wegfahren, der Rest der Neonazis muss unter der Hochstraße warten, bis die Polizei die Gleise geräumt hat.

NPD hält Blamage für „eindeutigen Erfolg“

Erwartungsgemäß schreibt Landeswahlkampfleiter Pühse die 185 Neonazis am nächsten Tag zu einem „eindeutigen Erfolg“ um und fügt

Jens Pühse in Bremen: "eindeutiger Erolg"
Jens Pühse in Bremen: "eindeutiger Erolg"

hinzu „zudem konnten wir viele Bürger am heutigen Tage direkt erreichen und über unsere politischen Ziele aufklären“. Bis zur Wahl am 22. Mai kündigt er weitere Aktionen der NPD in Bremen und Bremerhaven an, mit der sich die Partei Gehör verschaffen wolle. Angesichts der Proteste von etwa 4.000 Gegendemonstranten und der Blamage der NPD am 30. April dürfte es es sich damit verhalten wie mit dem großspurig angekündigten Sozialkongress: heiße Luft eines nahezu handlungsunfähigen NPD-Landesverbandes.