Das ist selbst in Mecklenburg-Vorpommern nicht normal: Wenn am 6. Dezember in Güstrow Menschen auf die Straße gehen, um gegen die Hetze der Neonazis gegen Flüchtlinge im Ort zu demonstrieren, wollen Neonazis eine Gegendemo durchführen.
Die Veranstalter nennen sich „Rogida“ – „Rostock gegen die Islamisierung des Abendlandes“. Mit ihrer ersten öffentlichen Aktion wollen die Organisatoren in Güstrow, einer Kleinstadt etwa 40 Kilometer von Rostock entfernt, auf den rassistischen Zug der „Pegida“ („Patrioten gegen die Islamisierung des Abendlandes“) in Dresden aufspringen. „Pegida“ schafft es seit einigen Wochen montags bis zu 7000 „besorgte Bürger“, Hooligans, Neonazis und andere Rassisten gegen eine vermeintliche Islamisierung auf die Straße zu bringen. Ihre Ableger sprießen derzeit in Städten in ganz Deutschland aus dem Boden.
Jetzt also auch in Mecklenburg-Vorpommern: „Rogida“ ist Teil der dritten Protestwelle, die nach den Montagsmahnwachen und HoGeSa durch Deutschland rollt und rassistische Einstellungen bedient. Doch anders als die Mahnwachen, die zwar in einigen Städten M-Vs stattfinden, jedoch keine Resonanz hervorrufen, schickt sich Rogida an, regelmäßig Menschen gegen Flüchtlinge und Muslime auf die Straße zu bringen. Die Resonanz auf die Gruppe bei Facebook ist besorgniserregend. Über 1.000 Personen folgen ihr bereits. Darunter finden sich zahlreiche Neonazis, HoGeSa-Fans, der Kopf einer Rostocker „Bürgerwehr“, aber eben auch „ganz normale“ Bürgerinnen und Bürger. Wer dahinter steckt, ist bisher nicht klar. Aber die Gruppe ruft schon zu regelmäßigen Aktionen in Rostock auf. Ab dem 5. Januar will sie regelmäßig – ganz nach Dresdener Vorbild – montags auf die Straße gehen. Anmeldungen gibt es dafür laut Ulrich Kunze, Pressesprecher der Hansestadt Rostock, aber nicht: „Mir liegt bisher nichts vor. Aber das Versammlungsrecht sagt auch ’48 Stunden vorher’“, so Kunze.
Vorher, am 6. Dezember, steht erst einmal Güstrow auf dem „Rogida“-Programm. In der knapp 30.000-Einwohner-Stadt machen Neonazis seit Monaten Stimmung gegen Flüchtlinge. Die Asylsuchenden berichten von Beschimpfungen auf der Straße. Die Palette reicht aber bis hin zu Brandanschlägen auf die Unterkünfte. Als im Frühjahr letzten Jahres die zweite Unterkunft in der Stadt in einem alten Gebäude der Bahn eröffnet werden sollte, marschierte die NPD auf, es gab einen Buttersäureanschlag und später einen Angriff mit Feuerwerkskörpern, die einen Brand auslösten. Verletzt wurde dabei nur durch Glück und Zufall niemand.
Jetzt sind die ersten Menschen in die dritte Unterkunft eingezogen. Im Stadtteil Südstadt, einem eher tristen Plattenbauviertel, wurde ein eigentlich zum Abriss vorgesehener Block zur neuen Unterkunft umgebaut. 170 Menschen sollen hier in Zukunft Platz finden, 30 sind schon da. Dagegen machen die lokalen Neonazis mobil. Ihre Aktionen, wie ein „Fackelmarsch“, in dessen Verlauf sich zahlreiche Güstrower anschlossen, und regelmäßige Kundgebungen, finden ohne offene Unterstützung der NPD statt. Hinter den Kulissen spielen dann allerdings doch wieder die üblichen Verdächtigen die erste Geige. Hervorzuheben ist hier Nils Matischent, mehrfach vorbestrafter NPD-Politiker und Mitglied des Kreistages Landkreis Rostock, in dem Güstrow liegt. Zuletzt rief er die Güstrower auf, den neuen Flüchtlingen in der Südstadt „das Leben so schwer wie möglich“ zu machen. Er und einige andere sind die Köpfe hinter der rassistischen Bürgerinitiative „Güstrow wehrt sich gegen Asylmissbrauch“ auf Facebook, wo Mitglieder schon mal mit dem Einsatz von Schusswaffen drohen und für die Aufläufe mobilisiert wird. Manchmal gelingt die Mobilisierung, manchmal scheinen die angemeldeten Kundgebungsplätze verwaist. Manchmal gibt es etwas Gegenprotest, manchmal nicht.
Gegen diese Stimmung und für eine Willkommenskultur will der „Ratschlag der Bündnisse“, ein Zusammenschluss von lokalen Bündnissen aus M-V wie Vorpommern weltoffen, Demmin und Greifswald Nazifrei und der Amadeo-Antonio-Stiftung, am kommenden Samstag auf die Straße gehen. Ab 13 Uhr soll der Demozug unter dem Motto „Refugees welcome! Asylrecht ist Menschenrecht!“ vom Bahnhof bis in die Südstadt ziehen. Der Ratschlag will jedoch nicht nur gegen die Rassisten und ihre Hetze in Güstrow angehen, sondern vor allem den Menschen vor Ort, die ehrenamtlich die Asylsuchenden unterstützen, den Rücken stärken: „Gemeinsam mit ihnen und allen demokratischen Kräften setzen wir uns für eine solidarische Gesellschaft ein, in der Minderheitenrechte geachtet werden. Gemeinsam treten wir ein für eine Gesellschaft, die geprägt ist von Vielfalt und Respekt. Wir sind betroffen und wütend darüber, dass Menschen, die in Deutschland Schutz suchen, mitten unter uns Bedrohungen, Diskriminierung und Gewalt ausgesetzt sind“, heißt es im Aufruf.
Die rechte Gegendemo steht unter dem Motto „Ja zu Kriegsflüchtlingen, Nein zu Wirtschaftsflüchtlingen!“. Bei dem Anmelder handelt es sich um eine Privatperson, die jedoch mit Nils Matischent befreundet sein soll. Laut Anmeldung rechnet „Rogida“ mit bis zu 150 Teilnehmern und bleibt mit dem Demo-Motto dem sächsischen Vorbild treu. Dessen Gründer, Lutz Bachmann, sagte jüngst in einem Interview, Stein des Anstoßes sei für ihn eine Demo von PKK-Anhängern gewesen, er wolle etwas gegen die vermeintliche Islamisierung tun, im Grunde habe man bei „Pegida“ aber nichts gegen Kriegs-, sondern nur gegen Wirtschaftsflüchtlinge. Das passt zwar alles hinten und vorne nicht zusammen, aber das stört weder den vorbestraften Bachmann, noch seine Anhänger. Die Interviewer übrigens auch nicht. So dürfte es sich auch bei der „Rogida“-Veranstaltung verhalten. Denn im Grunde geht es nur um eines: „Ausländer raus“, insbesondere Muslime. Und so finden sich unter den Zusagen zur Demo wieder die üblichen: Neonazis wie Nils Matischent, HoGeSa-Fans und eben „ganz normale“ Rassisten.