Das schottisch-deutsche Trio Music A.M. verbindet elektronische Ästhetik mit einem fast nostalgischen Sinn für Musikgeschichte
Der französische Komponist Erik Satie komponierte seine Musique Ameublement zwischen 1917 und 1920 als akustischen Hintergrund für bestimmte Räume. So alltäglich wie „das Licht, die Wärme“ sollte die Musik wirken – zum Zuhören war sie eigentlich nicht gedacht. Doch Satie machte einen Fehler: Er komponierte seine kreisenden Muster so berückend schön, dass ihnen die Menschen bis heute andächtig lauschen.
Kreisende Muster gibt es auch bei Music A.M., loopbasierte Tracks nennt man so etwas heute. Deren Funktion geht schon aus dem Projektnamen hervor, für den Vormittag sind sie gedacht. Doch anders als bei Satie, der wiederholt und vergeblich auf seine ursprüngliche Absicht hinwies, geht das Konzept bei Music A.M. geradewegs auf. Seit Wochen bereits ist der tragbare CD-Player in meiner Küche mit Unwound From The Wood bestückt. Immer wieder kommt es zu Momenten großer Rührung, während das Rührei leise schmort.
Die Musik des schottisch-deutschen Trios ist frei von Pathos. Sie scheint wie nebenbei komponiert, und man bemerkt sie erst, wenn sie schon unter der Haut ist. Zunächst nisten sich die gemächlich pulsierenden Beats und tieffrequenten Bassläufe ein, dann verströmen getragene Bläsersätze ein Gefühl von Vertrautheit. Schließlich sind es Luke Sutherlands sehnsüchtig gehauchte Textpassagen, die den ersten Kaffee zu einem Erlebnis außerhalb von Raum und Zeit machen. Dergestalt verstreichen die Tage.
Es wäre nicht verkehrt, Music A.M. eine Allstar-Band zu nennen. Schon seit Mitte der neunziger Jahre bereichern Luke Sutherland, Stefan Schneider und Volker Bertelmann die subkulturelle Musiklandschaft mit Projekten wie To Rococo Rot, Hauschka und Long Fin Killie. Gerade eben hat Schneider als Mapstation eine Platte voll reduzierter Rhythmusstudien veröffentlicht, Sutherland ist inzwischen ein angesehener Romancier. Der kleinste gemeinsame Nenner all ihrer Äußerungsformen ist eine Abneigung gegen Klischees jeglicher Art.
Auf Unwound From The Wood trifft elektronische Ästhetik auf einen fast nostalgischen Sinn für Musikgeschichte. Dazu passt, dass Sutherland in Stars On 45 ein großes Gefühl mit der Zeit verknüpft, als man noch Singles auf seinen Plattenspieler legte. Je genauer man hinhört, desto klarer schält sich der doppelte Charakter dieser Platte heraus: Sie ist zugleich zeitlos und aktuell; sachlich, aber auch sexy.
Man könnte dieses federleichte Gemisch in einer modischen Cocktail-Lounge laufen lassen, es würde sich als gedeckte Klangtapete sicherlich bewähren – doch schade wär’s um die schöne, tiefe Musik.
„Unwound From The Wood“ von Music A.M. ist als CD erschienen bei Quartermass/Alive.
Hören Sie hier „Stars On 45“