Final Fantasy ist das Soloprojekt des Arcade Fire-Violinisten Owen Pallett. Sein kammermusikalisches Album „He Poos Clouds“ steckt voller Doppeldeutigkeiten und Überraschungen
Mit The Pooka Sings endet Final Fantasys neue Platte He Poos Clouds. Pookas sind Fabelwesen, Landgeister, die von den südlichen Grafschaften Englands bis nach Irland Märchen und Legenden bevölkern. Ein Pooka spielt den Menschen harmlose Streiche und führt Wanderer in die Irre. Er kann allerdings recht bösartig werden, wenn er betrogene Mädchen rächt. Die treulosen Jünglinge bestraft er mit dem Abschlaffen bestimmter Körperteile.
Ein Gefoppter auch, wer sich die verträumten Texte und elektronisch verstärkten Violinenklänge von Final Fantasy alias Owen Pallett ohne Sinn für Doppeldeutiges anhört. So zart und schwelgerisch auch die Saitenstreiche im Lied des Pookas Kringel an den Himmel malen und die Pianokaskaden dahinperlen wie Schubert-Etüden: Über diesen Himmel ziehen Wolken, deren Herkunft im Albumtitel deftigen Spekulationen ausgesetzt ist.
Schon auf seinem Debüt Has A Good Home zog der hochaufgeschossene hübsche Kanadier, der zuvor bei der Popgruppe The Arcade Fire mitwirkte und sein Soloprojekt nach einer Computerspieleserie bennannte, alle Register seines verwirrenden Könnens. Mit dem unberechenbaren Einsatz von Geige, Loop Pedal und dramatischen Gesangseskapaden räumte er sich den Weg frei zwischen Neofolk und Geräuschpop, ohne eines dieser oder ein anderes Genre wirklich zu streifen. Sein zweites Werk auf dem Kölner Label Tomlab präsentiert nun die nächste Ungleichung: Da jauchzt ein komplettes Kammermusikensemble furios durch die fettesten Harmonien, doch die Arrangements bleiben so transparent, reißen geradezu Löcher in Partituren und kompositorische Logik, dass der romantische Faden der melancholischen Melodien immer wieder durchtrennt wird.
Die Gestik der großen rhythmischen und melodischen Abstände und Sprünge, der plötzlich abbrechenden Bögen und Palletts unvermittelt aufschreiender Stimme legt eine Verwandtschaft zum Experimentellen nahe, doch weit gefehlt. Beim genauen Hinhören erweisen sich die wilden Brüche keineswegs als improvisatorisch motiviert, sondern folgen einem Kalkül. Einerseits erscheint dieses Vorgehen zusammen mit der im Fabulösen und Schöngeistigen verschwimmenden Gesellschaftskritik der Texte wie das folkloristisch verklärte Kunstlied schlechthin, andererseits zielt Owen Palletts manisch-depressive Expressivität daran aber deutlich vorbei.
Der Song This Lamb Sells Condos verzichtet auf die Streicher, die den sanfteren Charakter von Balladen wie If I Were A Carp und I’m Afraid Of Japan tragen. Trillernde Pianoläufe paraphrasieren einen im Kaffeehaus verschlafenen Ragtime mit Kirmesseligkeit und Kinderchor, die luftige Psychedelik und der schrille Popappeal erinnern an die Kinks. Hintergründig war deren manischem Drive seinerzeit stets ein kritischer klarer Geist anzuhören, der den esoterischen Eskapismus der Sixties vermied oder gar verhöhnte. Und schon bei den Kinks hatte das Versponnene in den Songs etwas mit der Ästhetik von Camp zu tun, dem Spiel mit den überbetonten Codes einer behaupteten oder tatsächlichen Homosexualität – was bei Final Fantasy umso mehr zutrifft.
Die Todessehnsucht ist hier die Sehnsucht nach einer totalen Metamorphose, „I read that death by burning means returning as a girl“. Aber es hilft alles nichts, im abschließenden Streit mit dem Pooka klagt Pallett die Märchenfantasie ebenso wie die realsoziale Lüge an: „Do we believe in devils? No. Winged men? The healing pow’r of love? No. Enchantment? Social justice? No“. Der Kobold hebt sich hinfort, und Owen Pallett will die Violine niederlegen – hoffentlich nicht für immer!
„He Poos Clouds“ von Final Fantasy ist als CD und LP erschienen bei Tomlab.
Hören Sie hier „Many Lives -> 49 MP“