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Bittersüß

 

Ungestört zappeln und zwischendurch eine kleine Träne abdrücken: Die Berlinerin MIA macht Techno, zu dem man am liebsten allein auf einer riesigen Tanzfläche stünde.

Cover Herbert

MIA ist Michaela Grobelny aus Berlin. Sie macht Techno, der sowohl zu Hause funktioniert als auch im Club. Weitere Vertreter dieser Dream Techno genannten Spielart sind Lawrence und Pantha Du Prince. Bittersüss ist ihr zweites Album. Ihr erstes hieß Schwarzweiss, die Titel spiegeln die Ambivalenz ihrer Musik wider. In ihr schwingen die Ekstase der Tanzhalle und die Melancholie des Alleinseins. Ihre Stücke vereinen aufwühlendes Stampfen und drängende Basslinien mit ruhigen Klangflächen.

Harmonisch geht es zu auf Bittersüss, simpel und klar. Die Stücke bestehen meist aus wenigen, sparsam eingesetzten Klangelementen. Mit wenigen Mitteln gelingt es MIA, ihnen einen dramatischem Aufbau zu verleihen. Erstmals setzt sie häufiger ihre Stimme ein – auf früheren Aufnahmen kam sie allenfalls in Schnipseln vor. Sie singt nicht, hier flüstert sie, dort summt sie eine Melodie. Auf Under The Bridge legt sie ihren durch Hall verfremdeten Erzählfluss über seltsam klingende, beschleunigte Gesangs-Fragmente. Diese Form des Nichtgesangs, des entkörperlichten Erzählens taucht noch einmal auf bei So I Felt, dem ambitioniertesten Stück des Albums. Es ist eine wahre Industrial-Suite: Ein forsches Bassdröhnen, stumpf-metallisch klingende Schlaginstrumente, schabende Klangeffekte, und darüber ein harsch gestrichenes Cello.

Einiges auf Bittersüss erinnert an den Synthesizer-Pop der frühen achtziger Jahre, wie der Sprechgesang und die industriellen Klänge. Der Synthesizer und die kalten Maschinenklänge helfen ihr, zwiespältige Emotionen auf den Punkt zu bringen. Das Stück Can’t Find You spricht vom Sehnen als einer treibenden Kraft. Der Rhythmus ist fordernd und der Bass schwingt, die verlangsamten Seufzer und die warm wie Kupfer schimmernden Klänge sprechen von einer unstillbaren Sehnsucht. Cold City besteht aus melancholischen Flächen, hochfrequenten Signalen und einem träge insistierenden Rhythmus. Es könnte ein frühes Trance-Stück sein, stark verlangsamt. Die Faszination und Fremdheit einer Großstadt schwingen mit, die Einsamkeit in der Menge. Das ist sicher kein neues Thema im Techno, aber selten wurde es so exquisit artikuliert wie hier.

„Bittersüss“ von MIA ist als CD und Doppel-LP erschienen bei Sub Static

Hören Sie hier „Swoon“ von „Bittersüss“ und „Swoon (Drama Society Remix)“ von der parallel erscheinenden Vinyl-Maxi „Bittersüss Remixe“

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