Lesezeichen
‹ Alle Einträge

Reime aus dem schwarzen Block

 
Die Teenie-Band Nevada Tan aus Hamburg verkündet die Revolution. Den 13-jährigen Neffen unserer Autorin überzeugt das nicht.

Nevada Tan Niemand

Eine Armee von Spielzeug-Robotern begleitet Nevada Tan durch das Musikvideo zu Revolution. „Ständig werden wir in Schubladen gesteckt, zu oft analysiert, und Fehler werden mathematisch aufgedeckt, doch eure klar definierten Zahlen auf Papier spiegeln unsere Situation doch niemals wider. Heutzutage ziehen Kids schon mit 11 Pornos aus dem Netz, Pics von toten Irak-Soldaten verbreiten sich per MMS“, rappt Timo Sonnenschein. Und weiter: „Ich geb’n Scheiß auf eure Meinung, Ihr seid nicht wie wir und werdet es nie sein (…) Wir rennen auch ohne Rückenwind durch jede Wand.“ Am Ende setzt ein lieblicher Kinderchor ein.

Nevada Tan kommen aus Hamburg, ihre Zielgruppe sind die Teenager. Sechs Jungs zwischen 18 und 20, mit modischen Frisuren und hübschen Gesichtern. In professionellen Musikvideos treten sie bisweilen auf wie der schwarze Block und rufen die Revolution ihrer Generation aus. Frank Ziegler begleitet die Raps mit sanftem Gesang. Am Schlagzeug sitzt Juri Schrewe, Bass und Gitarre bedient Christian Linke, David Bonk das Klavier und eine weitere Gitarre. Der stets vermummte DJ heißt Jan Werner. Die Sechs sind Schüler oder haben die Schule gerade hinter sich, ihre Texte klingen wie Tagebucheinträge, manchmal traurig, manchmal wütend, manchmal peinlich.

Solchen musikalischen Mischmasch aus Gitarrenklängen, Synthetischem und Rap hat man schon anderswo gehört, nicht aber in dieser Jugendlichkeit. Hier hört man ein Nirvana-Riff (Vorbei), dort grummelt es düster wie auf den späteren Alben von Oomph!. Mal erinnern die Melodien an Nena. Die gelungenen Lieder wurden an den Anfang des Albums gesetzt, ab der Mitte wird es flau. „Hol‘ Nevada Tan an Deine Schule“, warb ihre Homepage kürzlich noch. Hamburg? Schule? Nein, mit der Hamburger Schule haben sie nichts zu tun.

Ein Testanruf beim 13-jährigen Neffen: Wie findest du Nevada Tan? Geht so. Sein Freund hat sie als Vorband der Killerpilze gesehen und fand sie ganz toll. Es gebe einige Jungs, die Nevada Tan gut fänden, die Mädchen in der Klasse stünden eher auf Tokio Hotel oder US 5. Was gefällt dem Freund daran? „Die klingen ein bisschen wie Linkin Park und mischen Raps rein, mein Freund macht auch Musik. Vielleicht deswegen, weil die so jung sind und trotzdem Musik machen.“ Man unterhalte sich nicht so ausführlich darüber. Hmm.

„Ich möchte niemals so werden, niemals so werden wie du“, heißt es im Lied über den Vater, der die meiste Zeit in der Firma verbrachte und mit seiner Sekretärin ein Kind zeugte. Die sechs Musiker wollen sich nichts sagen lassen von „Schule, Eltern, Staat“. Ach, süße Jugend! Das Schlimmste kommt doch noch: Die Arbeits(losen)welt. Die Jungs ahnen es bereits, sie singen „Wir werden tagtäglich überschwemmt, von Lügen ertränkt, und merken schon früh: Wir kriegen nichts geschenkt.“

„Niemand hört dich“ von Nevada Tan ist bei Vertigo/Universal erschienen.

Weitere Beiträge aus der Kategorie ROCK
Codeine: „The White Birch“ (Sub Pop 1994)
Porcupine Tree: „Fear Of A Blank Planet“ (Roadrunner Records/Warner 2007)
Von Spar: „Xaxapoya/Dead Voices In The Temple Of Error“ (Tomlab 2007)
Tocotronic: „Kapitulation“ (Universal 2007)
Shellac: „Excellent Italian Greyhound“ (Touch & Go/Soulfood Music 2007)

Alle Musikangebote von ZEIT online finden Sie unter www.zeit.de/musik