Das neue Album der Editors klingt, als sei es genau die Platte, um die die Simple Minds seit 25 Jahren ringen: Erfrischend, inspiriert und gut.
Da scheint es, als seien die Achtziger vollkommen ausgeweidet, als sei jeder in der vorletzten Dekade produzierte Tonschnipsel zweit- und drittverwertet, jeder Klang imitiert und variiert. Und dann finden ein paar Musiker in irgendeiner Ecke ihres muffigen Proberaums alte Platten der Simple Minds – zerkratzt die Oberfläche, verblichen die Hülle, doch die Klänge so unbenutzt. Wie neu!
Man erinnert sich ja kaum dran, so lange ist es her: Die Simple Minds waren mal eine richtig feine Band. In der ersten Hälfte der Achtziger nahmen sie Platten auf, die auch heute noch prima klingen. Dann entdeckten sie das Pathos, wurden reich mit der Single Don’t You (Forget About Me) und ihrem Soundtrack zu irischem Bürgerkrieg und Apartheid, Street Fighting Years. Schließlich verabschiedeten sie sich ins Belanglose. Alle drei, vier Jahre bringen sie seitdem einen unselig gefühligen Klangschwall unter die Leute (denn so verdammt reich wurden sie Ende der Achtziger wohl doch nicht), zuletzt das Album Graffiti Soul im Mai dieses Jahres.
Die Editors haben sich die frühen Werken der Simple Minds – besonders aber Sons And Fascination aus dem Jahr 1981 – offenbar ganz genau angehört, als sie ihr neues, ihr drittes Album aufnahmen. In This Light And On This Evening klingt, als sei es genau die Platte, um die die Simple Minds seit 25 Jahren ringen. Erfrischend, inspiriert und gut.
Das ist der Neuanfang, den die Editors nun wagen mussten. Noch ein An End Has A Start? Das hätte kein Mensch ausgehalten. Zum kreischenden Moll der Gitarren verteilte der Sänger Tom Smith vor zwei Jahren großzügig Düsternis. Beängstigend, welche Qualen er scheinbar ausstehen musste. „Say goodbye to everyone you have ever known, you are not gonna see them ever again“ sang er, „the saddest thing that I’d ever seen were smokers outside the hospital doors.“
Tom Smiths Leben? Seine Texte? Aufgeräumt! Ein Scherzkeks ist er auch heute nicht, er erzählt zurückhaltender und verschlüsselter. Da ist viel Wasser, da ist Blut, Pistolenkugeln, Salz in der Wunde, „Oh God!„. Aber das ist alles fast hoffnungsfroh, verglichen mit früheren Zeilen wie dieser: „In the end, all you can hope for is the love you felt to equal the pain you’ve gone through.„
Er singe vom Fehlen Gottes, sagt Smith, von zerbrochener Liebe, trunkener Gewalt und vom Verlust des Vertrauens in die Menschen, die die Welt regieren. Immerhin sind die meisten der Besungenen noch am Leben, das war schon anders.
Und der Klang: Aufgeräumt! Kühle Keyboards wehen hierhin, dorthin, sie sind der hellgrüne PVC-Belag auf dem die Band ihre neuen Lieder spielt. Gänzlich unmodern sind diese elektronischen Flächen, flirren Tonleitern Stufe um Stufe hinab und hinauf, machen sich so richtig breit, hallen, schmieren, wabern. Manchmal muss man auch an die Eurythmics denken und die Zwischenmusiken der Drei ???.
Platz ist da gerade noch für den Bass, er ist ganz der Alte. Er treibt und pumpt so dumpf wie zuvor, das ist kein Fehler. Zwischen sein Wummern und das Keyboard passt oft kaum mehr eine Gitarre – und selbst der Rhythmus kommt häufig aus einer Maschine, metallisch wie Pfennigabsätze auf Krankenhausfluren. Aber nein, mit dem Thema waren die Editors ja durch.
Dass das alles viel weniger blechern und naiv klingt als vor beinahe 30 Jahren, liegt nicht nur an der verbesserten Aufnahmetechnik heute, sondern vor allem daran, dass Mark Ellis alias Flood hinterm Mischpult gesessen hat, er weiß, wie man auf dicke Hose produziert. Ihn anzuheuern ist ein Glücksspiel, denn einerseits ist er für den unerträglichen Stadionrock von U2 verantwortlich, andererseits produzierte er auch das fabelhafte letzte Album von PJ Harvey. Diesmal hat er es also wieder mal gut gemacht.
Noch eine kleine Hilfe bei der Kaufentscheidung: Neun Lieder sind auf der normalen Version des Albums. Das ist gut so, das reicht, die Spannung hält vom Titellied bis zum Melodrama Walk The Fleet Road. (Und mehr als neun Lieder brauchten ja auch die wirklich guten Alben der Simple Minds nicht.) Daneben gibt es eine hübschere Version mit einigen Bonusliedern auf einer zweiten CD, wenig ausgereiften Skizzen, die zeigen, welche Richtungen die Editors einschlugen, bevor sie sich ins hellgrüne PVC verliebten. Sie ist entbehrlich.
„In This Light And On This Evening“ von den Editors ist auf CD und LP bei PIAS/Rough Trade erschienen.