Sind Captain Planet aus Hamburg womöglich die Superhelden des deutschen Punk? Auf ihrem famosen neuen Album „Inselwissen“ besingen sie den Menschen in der Metropole.
Gaia ist eine kluge Frau. Sie ist die Mutter der Erde, und die wird von den Menschen ausgebeutet, verschmutzt und zerstört. Also erzaubert Gaia fünf magische Ringe, mit deren Hilfe fünf Jugendliche – das Planetenteam – weitere Katastrophen verhindern sollen. Solarbetrieben düsen sie um den Planeten und retten ihn ein ums andere Mal.
Wenn’s nicht so gut läuft, dann ruft das Planetenteam Captain Planet, einen drolligen Kerl mit hellblauer Haut und grünem Haar. Er ist verdammt stark und trägt das Bild der Erde auf seinem knappen roten Leibchen. Seine Gegenspieler heißen Captain Pollution und Duke Nukem (Graf Atomar), Hoggish Greedly (Raffgier) und Verminous Skumm (Ratzfatz). Gegen Typen mit solchen Namen gewinnt ein Superheld immer.
Captain Planet ist eine skurrile Zeichentrickserie, die in den frühen Neunzigern im amerikanischen Fernsehen lief, später auch im deutschen. Ein Umweltschützer als Held? Das war neu! Am Ende jeder bemüht bedeutungsvollen Folge redete der Captain dem Zuschauer ins Gewissen: „Ihr habt die Macht!“
Captain Planet nennen auch vier Musiker aus Hamburg ihre Punkband. Punk und Superhelden? Wie passt das denn zusammen? Inselwissen heißt ihre zweite Platte. Was soll das sein?
Ihr erstes Album erschien vor ziemlich genau zwei Jahren, sie handelte vom Wasser, vom Regen, von der Traufe. Auf Inselwissen nun erzählen sie immer wieder von dem weißen Blatt Papier, dass am Anfang jedes Liedes, jeder Platte steht. Und von dem Wunsch, ab und an mal den Knopf zu drücken: Neustart! Auch um eine Beziehung, ach was, all die verdammten Beziehungen von vorne zu beginnen. „Der erste Strich ist immer der schwerste“, singt Arne von Twistern, „es beginnt und wird zerstört“.
Von wegen Superheldentum also. Captain Planet erzählen von den Widersprüchen der Urbanität. Ihr Held ist „Du“, er ist kein Held. Eher einer, der sich so durchschlägt. Der die langen Regale im Supermarkt abwandert und den Wagen doch nicht vollkriegt. Einer, der sich selbst bekämpft. Sein Leben rast vorbei im Rhythmus der Abrissbirne. „Bist halt nicht der Typ, der sein Leben so lebt, wie Rambo an die Tanne springt.“ Wann schickt Gaia das Planetenteam? Nur am frühen Morgen kann er alles, im grellen Sonnenlicht gefällt ihm die Stadt sogar. Dem Sozialromantiker erscheint das nach elf Liedern dann sogar ein bisschen heldenhaft.
Und nach elf Liedern ist auch klar, dass das Inselwissen schließlich von nichts anderem handelt als dem Bewusstsein von der Einsamkeit inmitten von Menschen. In der Metropole und im Gewirr gescheiterter und scheiternder Beziehungen ist der Mensch doch eine Insel.
Und, ach ja, die Musik: Es gilt, was hier vor zwei Jahren geschrieben stand: Den poetischen und klugen Texten stehen nervöse Gitarren, krachendes Getrommel und wummernde Bässe zur Seite. Die Melodien sitzen, die Worte sowieso! Inselwissen ist kein Stück schlechter als das fantastische Debüt.
Zwei famose deutsche Punkplatten am Stück! Sind Captain Planet womöglich doch – Superhelden?
„Inselwissen“ von Captain Planet ist auf CD und LP erschienen bei Unterm Durchschnitt.
Captain Planet im Konzert:
13.11.09 Dresden
14.11.09 Berlin
18.12.09 Oberhausen
19.12.09 Marburg
20.12.09 Darmstadt