Lesezeichen
‹ Alle Einträge

15 Bier für Bärbel Rotzky

 

Prolliger als die Prolls können es nur die Satiriker: Die Band Eisenpimmel aus Duisburg huldigt dem Fäkalen und Hochprozentigen.

Und ewig lockt das Bier: Eisenpimmel aus Duisburg (© Broken Silence)
Und ewig lockt das Bier: Eisenpimmel aus Duisburg (© Broken Silence)

Eine Packung Gammelfleisch süß-sauer landet in meinem Briefkasten. Es ist eine Mogelpackung. Nicht die versprochene „reptilienfreie Kombination von Schlachthausabfällen und Innereien verschiedener Säugetiere“ quillt aus der Packung, sondern: Meterweise Klopapier. Und eine Speisekarte der Pizzeria Spacko, die Fernsehzeitung Pimmel TV, ein Bierdeckel aus der Kneipe Bei Hubi, ein Zettel, der die Echtheit dieses Bierdeckels und der Kritzeleien darauf zertifiziert. Und, ach ja, eine CD. Punk ist drauf, Füße hoch, Fernsehn an, Arschlecken heißt sie. Die Band: Eisenpimmel. Eisenpimmel machen – wer hätte das gedacht? – Spaßpunk.

Spaßpunk? Den gibt es noch?  Die Abstürzenden Brieftauben? Schließmuskel? Futsch. Die Toten Hosen? Längst Stadionrocker. Und die Ärzte waren schon immer klug genug, nicht Bierkiste und Schnapsflasche zu huldigen. Die Jugendsünden der Goldenen Zitronen sind längst vergessen.

Nein, Spaßpunker sind heute schwer zu finden. Und Eisenpimmel klingen aus der Zeit gefallen, wie zu uns geschossen aus der goldenen Ära Kohl, als Sozialhilfeempfänger noch in der Lage waren, sich die von der Band besungenen Mengen Alkohol zu kaufen. Der karge Regelsatz von Hartz IV erlaubt einen derart ausufernden Konsum ja gar nicht mehr. Haha.

Sechzehn anachronistische Lieder singen Eisenpimmel auf ihrer neuen Platte. Und sie lassen gar nicht erst den Eindruck aufkommen, sie seien von etwas anderem angetrieben als Alkohol. Sie rotzen Saufsprüche hin, hier und da verstecken sie verhaltene Sozialkritik und Wortspiele. Unterlegt ist das alles von nicht übermäßig vielen Akkorden oder ausgefallenen Takten. Mal ein Blues, mal ein Ska, ansonsten prügeln sie ordentlich drauf los. Erwartet man von Punk aber auch nicht anders.

Sie weiden sich am Nichtdazugehören, besingen im pöttischen Zungenschlag frittierte Kartoffelstäbchen („Wat is da, wenn man et braucht – Pommes! Wat is niemals ausverkauft – Pommes! Wat hat ganz viel Working Class – Pommes! Wat macht inne Schnauze Spaß – Pommes!“), betonierte Innenstädte und Whole Lotta Schulden. Sie schreien an gegen die „Diktatur der Milchmixgetränke“ und die „Verharmlosung des Friedens“; sie nehmen nichts ernst, Füße hoch, Fernsehn an, Arschlecken ist ihre Version der Rocker-Dreifaltigkeit Glaube, Liebe, Hoffnung. In der fäkalbeladenen Sprache Zwölfjähriger huldigen sie dem Bier, den weiblichen Geschlechtsteilen und ihrer Heimatstadt Duisburg. Ob das lustig ist? Tja.

Immerhin: An und in dieser Mogelpackung Gammelfleisch stimmt alles. Schon die Namen der Bandmitglieder umweht der Hauch von Bier, Schweiß und Hochofen: Rotzky, Kalupke, Arsch, Katlewski, Pannek, Mütze. Ob sie sich wirklich so ansprechen im Proberaum? Und Pimmel TV und das Angebot der Pizzeria Spacko sind eklig und antiintellektuell bis in die Achselhaarspitzen; die auf dem Bierdeckel von Bärbel Rotzky verzeichneten 15 Bier sind aller Ehren wert. Prolliger als der Proll kann es nur der Satiriker. Und Eisenpimmel sind astreine Satiriker, vom parodierten Ruhrpott-Proll kaum zu unterscheiden (sie üben ja auch seit den frühen Achtzigern).

Und vielleicht ist solcher Spaßpunk ja doch nicht halb so aus der Zeit gefallen, wie es den Anschein hat. Was zählt heute schon? Was wird für voll genommen? Ästhetisch schlüssig und sinnentleert (und dabei unverschämt erfolgreich) ist schließlich auch Lady Gaga – mit dem Namen könnte sie bei Eisenpimmel eh problemlos mitmachen.

Bringen wir es auf den Punkt: Füße hoch, Fernsehn an, Arschlecken ist das Beste, was ich je gehört habe! (Die Plattenfirma Kaputte Jugend bat darum, diesen Satz in die Besprechung einzubauen, schließlich solle die Platte ja verkauft werden. Da mir die ganz und gar anachronistische Idee, eine solche Platte zu veröffentlichen, bei aller zuvor beschriebenen Sinnlosigkeit doch sympathisch ist, tue ich ihr diesen Gefallen hiermit gerne.)

„Füße hoch, Fernsehn an, Arschlecken“ von Eisenpimmel ist erschienen bei Kaputte Jugend Records/Salon Alter Hammer/Broken Silence