Kein bisschen langweilig: Die Foals aus England entwickeln ihren Progressive-Afrika-Punk-Rock weiter. Ihr Zweitwerk „Total Life Forever“ ist gelassen, erwachsen und eigen.
Erfolg basiert auf Wiederholung. Eine Grundregel im Musikgeschäft: Erfolg hat, wer sich einen schicken Klang zusammenklaut, ihn perfektioniert, immer wieder leicht variiert abspult – und jede Platte als originelle Weiterentwicklung verkauft. Im Rockgeschehen der vergangenen Dekade ging das so weit, dass man viele Bands kaum mehr voneinander unterscheiden konnte.
Manche widersetzen sich dem Gleichklang. MGMT und die Foals etwa. Sie klangen frisch und eigen, als beinahe zeitgleich vor etwas mehr als zwei Jahren ihre Debütalben erschienen. Oracular Spectacular und Antidotes, zwei Platten, die beinahe nichts gemein hatten: Die Amerikaner MGMT hauten tanzbaren Folk in ein Vierteljahrhundert alte Synthesizer – die britischen Foals machten verkopften Rock, der im Progressiven, im Afrikanischen und im Punk wilderte. Allenfalls Four Tets Remix von deren Cassius dürfte damals in derselben Indie-Disco gelaufen sein wie die freudentrunkenen Tanzbodenbrecher von MGMT. Wie einfach wäre es gewesen, diese Erfolgsrezepte ein weiteres Mal aufzukochen. Niemand hätte sich beschwert.
Nun, da wiederum im Abstand weniger Wochen beide Bands ihr Zweitwerk veröffentlichen, erscheinen sie verbunden im Prinzip, sich nicht zu wiederholen – wohlmöglich um den Preis des kommerziellen Erfolgs. Beide Alben brauchen Zuwendung, weil sie den Erwartungen nicht entsprechen. MGMT etwa hätten „einfach die Thematik gewechselt wie das Hemd“, schrieb Thomas Winkler in der ZEIT über Congratulations, so sei es ihnen gelungen, „das kommerzielle Potenzial ihrer Musik zu minimieren“.
Und die Foals? Sie klingen auf dem Zweitling Total Life Forever – wie soll man es nennen – gelassener? Entspannt? Erwachsen? MGMT nahmen Congratulations ja angeblich unter dem Einfluss von Heroin auf. Bei den Foals wirken Bluthochdruckblocker. Oder Valium. Und wie gut das klingt. Kein bisschen langweilig oder bemüht.
Antidotes: Das flirrte und holperte, ließ Lücken. Der Sänger Yannis Philippakis klang heiser und aufgeregt, der Schlagzeuger Jack Bevan schlug fransige Takte, die taten als wären sie gar keine. Die Band rieb sich auf.
Total Life Forever fehlt diese brutale Schärfe – nicht aber der Schwung. Noch immer sind da diese ausholenden Melodien, diese sengenden Gitarren, gezupft auf den hohen Saiten. Doch der Klang ist nun dicht, die Rhythmen gerade. Die Fransen sind leicht gestutzt, das Holpern ausgebessert. Die Gitarren zersägen die Lieder nicht mehr, sie färben sie ein – und Yannis Philippakis bellt kaum noch, er singt, kräftig, manchmal getragen.
Nein, die Foals klingen nicht, als wollten sie nicht mehr die Foals sein. Sie konzentrieren sich jetzt mehr auf die Atmosphäre ihrer Stücke, weniger auf den Abbau ihrer Aggressionen. Kraftvoll und tanzbar ist das weiterhin, sei es das funkensprühende Miami oder die treibende Hymne This Orient.
Sie hüllen ihre Lieder in eine große Metapher des Erwachsenwerdens. Wo zu Zeiten von Nirvanas Nevermind ein Säugling nach einer Dollarnote tauchte, da treiben nun fünf bekleidete Musiker durch den Pool, irgendwie ziellos, solange die Luft reicht.
Wenn sie weiter so gelassen zu Werke gehen, wird sie lange reichen.
„Total Life Forever“ von den Foals ist auf CD und LP bei Transgressive/Warner Music erschienen.