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Mitmachmusik zur Krisenbewältigung

 

Superpunk aus Hamburg singen von Berufsjugendlichen und Modernisierungsverlierern. Da wird es allen warm ums Herz.

© Markus Wustmann

Bestünden Superpunk aus Zelluloid, sie wären eine Komödie von Ken Loach: einer dieser Filme, in denen eine Zeche geschlossen wird und die Menschen, deren Leben in Scherben liegt, trotzdem stolz ihr Kinn nach oben recken.

Aber Superpunk sind eine Band, und sie sind aus Hamburg. Deshalb fahren die Protagonisten der Songs ihres sechsten Albums Die Seele des Menschen unter Superpunk ziellos im Ford Escort herum, während sie den Zumutungen der Gegenwart trotzen.

Intellektuelle eigener Bauart sind’s, deren alltägliche Dramen hier verhandelt werden, von der Zeit überholte Berufsjugendliche und andere Modernisierungsverlierer. Stets sind sie auf der Suche nach einer „anderen Zeit, einem besseren Ort“, der irgendwo am Horizont aufscheint. „Ich such einen Job, und ich steh früh auf“, bekennt der Sänger Carsten Friedrichs, um manchmal feststellen zu müssen: „Ich will heute nicht kämpfen.“

Doch resignieren gilt nicht, der Superpunk-Sound ist ein deutscher Ableger des britischen Northern Soul, mit dem sich die dortige Arbeiterklasse seit Jahrzehnten die Mühsal der Malocherwoche klein tanzt. Die Rhythmen treiben, hysterisch kreischt die Hammondorgel, und bei den Refrains wird es uns allen warm ums Herz. Mitmachmusik zur Krisenbewältigung – besser als jeder Film.

„Die Seele des Menschen unter Superpunk“ von Superpunk ist erschienen bei Tapete/Indigo.

Aus der ZEIT Nr. 23/2010