Die Hits der Achtziger und das Beste von heute: Die Scissor Sisters rufen zur „Night Work“ und laden alle zum lustvollen Schwitzen ein.
Das Spiel mit dem Verbotenen war schon einmal spannender. Früher mussten Menschen abseits der Norm noch aufpassen, was sie sagen, zeigen, praktizieren. Jetzt, wo nahezu jeder tun kann, was er will, wirkt es fast paranoid, wenn die offensiv homosexuellen Scissor Sisters auf ihrem dritten Album Night Work mit der Heimlichkeit kokettieren, als steckte die Schwulenbewegung noch in ihren Anfängen.
Jake Shears‘ Texte sind eine einzige Reminiszenz an Zeiten gleichgeschlechtlicher Klandestinität, als nur Eingeweihte verstanden, was loaded weapons bedeuten und worum es geht, wenn von beatin‘ my drum die Rede ist. Inzwischen sind das verbale Überbleibsel einer fröhlich koketten, aber leicht ermüdenden Dauerorgie.
Doch wen interessiert sprachlicher Tiefsinn, wenn Shears, Ana Matronic, Babydaddy und Del Marquis musikalisch derart mitreißen. Zwölf Stücke lang reisen sie von der Disco der frühen Tage über die Boygroup-Ära in Richtung Electroclash, mal temporeich, mal melodramatisch, immer hitzig, stets glamourös.
Im Radio röche solch eine Melange verteufelt nach den Hits der achtziger bis nuller Jahre und dem Besten von heute. Hier ist es die Quintessenz tanzbarer Klänge aus vier Jahrzehnten, verwoben zu einem spürbar lustvollen Gesamtkunstwerk. Es lädt zum Schwitzen ein. Und das ist keine Anspielung.
„Night Work“ von den Scissor Sisters ist erschienen bei Universal
Aus der ZEIT Nr. 28/2010