Hier klingt die Kraft des guten Geschmacks: Das kleine, vielseitige, völlig konzeptlose Label Staubgold feiert seine 100. Veröffentlichung und gibt eine tolle Kompilation heraus.
Ausgerechnet Gabriel García Márquez. Da feiert das Kölner Label Staubgold ein stolzes Jubiläum – und die Feierkompilation trägt den Titel eines dieser Schwarzbrotwälzer des kolumbianischen Schriftstellers, 100 Jahre Einsamkeit.
Nicht vor 100, vor zwölf Jahren gründete Markus Detmer das Label Staubgold, er betreibt es, er ist das Label. Und 100 Jahre Einsamkeit ist die einhundertste Katalognummer, zuvor erschienen 98 Platten und eine – längst vergriffene – Plattentasche, Staubgold 46 war das.
Was nach einem ganzheitlichen Konzept klingt, folgt tatsächlich nur einem Leitspruch: Es gibt kein Konzept! Jedenfalls nicht im Sinne einer Spezialisierung auf ein Marktsegment. Schon Erstsemester der Wirtschaftswissenschaften lernen: Mit diesem (Nicht-)Konzept kann kein Label überleben.
Pah, Wirtschaftswissenschaften! Die nun erklingende Zusammenstellung einiger von Detmers Lieblingsliedern ist Beweis genug. Wofür? Die Überlegenheit des Subjektiven? Die Kraft guten Geschmacks? Die Langlebigkeit des Abwegigen?
100 Jahre Einsamkeit sind rund zwei Dutzend Stücke, die in den vergangenen zwölf Jahren bei Staubgold erschienen. Nicht einfach aneinander gekleistert, nein, schön ineinander gemischt als DJ-Set. Und übrigens nicht das erste seiner Art, schon der Elektropunker Alec Empire und der Techno-DJ Peter Grummich drehten zuvor Staubgold-Platten ineinander.
Der Chef persönlich lässt nun also ineinander fließen, was ja nie zusammengehörte, heraus kommen Elektroniknoisedubblues, Jazzambientkrautpop und Brassdroneethnohiphop. Mindestens. Denn dieses Label braucht keine Plattentasche, dieses Label braucht eine eigene Schublade für jede neue Scheibe. Welten liegen zwischen Thilges‘ Oudische, Curse und Norscq. Und doch ist da eine Verbindung: Diese Lieder sind ungeheuer geduldig mit dem Hörer – das ist außergewöhnlich.
An einigen hängt Markus Detmer besonders, oder sie an ihm, wie das Kammerflimmer Kollektief, Mapstation und To Rococo Rot, Faust und Heaven And, Timo Reuber und Ekkehard Ehlers; etwas überraschend fehlen die Lieblinge F.S. Blumm und Harald „Sack“ Ziegler. Aber was sind schon Lieblingslieder bei einem, der eh nur seine Lieblingslieder veröffentlicht? „Och, ich mag eigentlich alles“, jede Wette, so beschrieb der junge Markus Detmer seine musikalischen Vorlieben. Konnte ja nicht wissen, wohin das mal führt.
100 Platten, das ist ein Grund zu Feiern, keiner zum Ausruhen. Katalognummer 101 werde es nicht geben, ist in der Pressenotiz nachzulesen, Staubgold spalte sich in Staubgold Digital und Staubgold Analog – nun geht also alles wieder bei Null los.
Die Kompilation „100 Jahre Einsamkeit“ ist bei Staubgold/Indigo erschienen.