Lesezeichen
‹ Alle Einträge

Glasklarer Designerpop

 

Hurts setzen aus Popzitaten und kühlem Stil ein ästhetisches Gesamtkonzept zusammen. Ihr Debütalbum „Happiness“ klingt, wie ein Maßanzug sitzt.

© Four Music

Wenn Engländer danach gefragt werden, wie es ihnen denn so geht, werden die meisten antworten: not too bad. Soll heißen: Ganz gut, aber Sie wissen schon. Von dieser sympathischen Art hat sich das Pop-Duo Hurts für ihr Debütalbum Happiness inspirieren lassen. Hurts soll heißen: Tut weh, geht aber schon wieder. Richtig weh tun wollen die beiden nämlich niemandem.

Bei einer Schlägerei vor einem Club in Manchester lernten sich Theo Hutchcraft und Adam Ashfort kennen. Doch anstatt mitzumischen, beschlossen beide, ihre Hände fortan nur noch auf Keyboardtastaturen spielen zu lassen. Schnell waren Hurts da, worauf sich das Duo vor dem Club geeinigt hatte. Ein höchst effektives Video sowie die stets verlässliche englische Musikpresse erzeugten die nötige Hysterie. Das entsprechende Album nachzulegen, war da nur eine Formsache.

Mit dem Arbeitsethos zweier Angestellten haben Hutchcraft und Anderson – beide spielten übrigens einst in einer Band namens Bureau – die Popgeschichte der vergangenen 30 Jahre auf ihre wirkungsvollsten Versatzstücke abgehört und in einen glasklaren Retro-Sound übersetzt. Happiness klingt in seiner polierten Glätte, den bauschigen Keyboardwänden und Hutchcrafts melodramatischem Gesang wie ein aufgemotztes Modell der beliebten Achtziger-Bauteile. Ultravox, Black, Pale Fountains, Depeche Mode, Erasure – Hurts zitieren den englischen Pop in seiner ganzen epischen Breite. Auffällig aber ist vor allem die konzeptuelle Strenge, mit der sich das Duo umgibt.

Das geht schon beim Plattentitel los: Happiness meint natürlich nicht die herkömmliche Allerwelts-Glückseligkeit, sondern den angenehmen Schauer, der Fans englischen Synthiepops angesichts rauchender Schlote und trister Industriebrachen befällt. Dieser Hang zur stromlinienförmigen Melancholie setzt sich in Gesten und Posen des Duos fort: Perfekte Seitenscheitel und makellose Garderobe sind im Modell Hurts ebenso stilbildend wie bittersüße Melodien und traurige Songtexte.

Happiness
klingt, wie ein Maßanzug sitzt: oben rum nicht zu eng, knapp und geschmeidig um die Mitte und nach unten mit ausreichend Luft. Hier kneift nichts oder stört beim Ausschreiten. Aber es lässt sich eben auch nichts mehr nachbessern. Hurts spielen modernen Pop, wie er perfekter und disziplinierter nicht klingen kann.

Eine Single wie Wonderful Life oder das herrlich ballerige Sunday mit seinen Streicher und Kirmes-Beats können jedem gefallen. Das etwas vernachlässigte Genre der opulenten Heulerballade wird mit Liedern wie Blood, Tears & Gold und Evelyn erfolgreich wiederbelebt. In solchen Momenten ist Happiness näher dran an dem Pop-Genie eines Gary Barlow als an Spandau Ballet. Es gibt auf dieser Platte tatsächlich kein missratenes Stück Musik zu hören.

Dass diesem Album jedoch alles Emotionale und Überschwängliche abgeht, ist der makellosen Inszenierung geschuldet. Hutchcraft und Anderson mögen zu Fotoshootings für die Vogue fliegen und sich von Modemachern als neue Lieblingsband ausrufen lassen. Ihrer Musik aber haftet in jeder Minute die fast schon obszöne Produkthaftigkeit eines Corporate Designs an. Der Sänger Theo Hutchcraft kann mit seinen teuren Hemden noch so viele Werbeanzeigen der fünfzier Jahre zitieren: Auf den Zeitschriftentiteln sieht er einfach nur aus wie einer der Jungs von Bros.

„Happiness“ von Hurts ist bei Four Music erschienen.