„Sex On Fire“ war ihr großer Hit, jetzt gibt’s ein neues Album der Kings of Leon. Mit „Come Around Sundown“ halten sie an ihrem Erfolgskonzept fest.
Die Reise ins Herz der Finsternis ist noch keine anderthalb Minuten alt. Da heben die Gitarren zum großen Wurf an, das Schlagzeug duckt sich unter den Schlägen, und man möchte Caleb Followill zum ersten Mal in den Arm nehmen, ihn sanft wiegen und ihm tröstend übers wirre Haar streichen.
Mitleiderregend schwingen sich seine schartigen Stimmbänder in die Höhe, der schwer verwundete Held hebt kurz vor dem Verlöschen, eigentlich schon zu schwach, aber noch nicht gebrochen, ein letztes Mal den Kopf und singt: „This could be the end„.
Das muss man zugeben: Pathos können die Kings of Leon. Das beweisen sie erneut auf Come Around Sundown. Jeder einzelne Song auf diesem, ihrem fünften Album scheint an sich selbst zu leiden: Die elektrischen Gitarren jammern und jaulen, der Bass grummelt mies gelaunt. Vor allem aber ist es natürlich diese Stimme, jenes scheinbar stets kurz vorm Krächzen stehende Organ, das Caleb und die anderen drei, mindestens genauso süßen Followills befördert hat zu Lieblingen jener Mädchen, die feststecken zwischen Geschlechtsreife und Strafmündigkeit.
Die andere Hälfte des Publikums besteht aus den Jungs, die glauben die Unschuld dieser Mädchen erobern zu können, indem sie Zeilen aus Sex On Fire rezitieren. Diesem größten Hit der Kings of Leon und dem dazugehörigen, weltweit mehr als sechs Millionen mal verkauften Album Only By The Night nachfolgen zu müssen, diese undankbare Aufgabe hat nun Come Around Sundown übernommen. Und bewältigt sie überraschend gut.
Jeder Song, wie gewohnt montiert aus Elementen des Southern und des Alternative Rock, ist ein kleines, ziseliertes Drama, in dem meist die Unmöglichkeit der Liebe verhandelt wird, die zum Schöpfer und die zu seinen Geschöpfen. In seine Stimme legt Caleb Followill offenbar all die Seelenqualen seiner Kindheit, in der er und seine Brüder vom wanderpredigenden Vater durch die Vereinigten Staaten geschleppt wurden.
Diese puritanische Vergangenheit mag auch dafür verantwortlich sein, dass die drei Brüder und ihr Cousin aus dem US-amerikanischen Süden Sex On Fire als „ein Stück Scheiße“ bezeichnet haben. Dabei ist ihnen doch auch diesmal wieder ein Gassenhauer von solch simplifizierender Großartigkeit gelungen: Die erste Single Radioactive besteht vornehmlich aus einem kurzen, prägnanten Gitarren-Lick, einer sich geschickt steigernden Dramaturgie im Midtempo und schließlich einem zum Mitgröhlen im Stadionformat geeigneten Refrain.
Mit Come Around Sundown sind die Kings Of Leon also gut aufgestellt, mal wieder ein paar Millionen Platten an ihre Anhängerschaft abzusetzen, auch wenn sie die selber mittlerweile „not fucking cool“ finden. Trotzdem halten sie am bereits bewährten Erfolgsrezept fest.
Nur ein einziger Song, Mary, versucht, aus dem bedeutungsschwanger dräuenden Gesamteindruck auszubrechen und stattdessen die unverdorbene Aufbruchstimmung der sechziger Jahre einzufangen mit seinen Beach-Boys-Chorälen und Reminiszenzen an den frühen Rock’n’Roll.
Aber auch hier kommt den Kings of Leon die eigene Schluffigkeit in die Quere. Selbst dieser vermeintlich fröhliche Song wälzt sich eher schwerfällig daher. Es ist schon wieder so ein Moment, wo man Caleb Followill ganz dringend in den Arm nehmen möchte.
„Come Around Sundown“ von Kings Of Leon ist erschienen bei RCA/Sony Music.