Seit 50 Jahren reproduziert Neil Young sein eigenes Werk und hört sich dennoch immer neu an. Jetzt erscheint das einsame, starke Album „Le Noise“.
Den ersten Akkord – mehr braucht es nicht, um Neil Young zu erkennen. Auch sein neues Album Le Noise steigt ein, wie man es seit bald 50 Jahren vom Kanadier gewohnt ist: ein sechssaitiges Grollen, die düster verzerrte Drohung, dass kommt, was man erwarten dürfe.
Aber darf man das überhaupt im Popgeschäft – etwas erwarten? Ist Vorhersehbarkeit nicht der Feind jeder musikalischen Entwicklung?
Nicht bei Young. Noch im Renteneintrittsalter reproduziert der ewige Rocker sein eigenes Werk wieder und wieder, ohne je saturiert zu wirken. Der Kanadier spielt die gleichen Riffs wie immer, sphärische Metaphern des Unbehausten zwischen Improvisation und Symphonie, die mit seinem Falsett tonale Streitgespräche führen. Doch es fühlt sich an, als würde man in dieser warmen Stube des rauen Protestsongs stets neues Mobiliar entdecken.
Ohne jede Begleitung reist er auch diesmal durch staubige Zeitzonen und erklärt sie in simplen Worten. Dabei klingt er noch immer wie eine Ente im Gitarrengewitter, aber er klingt wenigstens nach irgendwas von Bedeutung. Nach Suchen und Sehnen, Weite, Tiefe, dem Sichverlieren im eigenen Klang, wie es ihm zuletzt 1995 beim Soundtrack zu Jarmuschs Dead Man gelang: aufs Wesentliche reduziert, so intensiv wie beiläufig. Le Noise ist ein einsames, starkes Album, nur Neil Young und seine Gitarre. Vom ersten Akkord an.
„Le Noise“ von Neil Young ist erschienen bei Reprise Records/Warner.
Aus der ZEIT Nr. 44/2010