Damon Albarn hat für die Gorillaz ein neues Album aufgenommen – allein auf seinem iPad. Angesichts der technischen Beschränkung klingt es überraschend gut.
Man muss sich Damon Albarn als manischen Arbeiter vorstellen. Erst bringt er seine Band Blur wieder zusammen, mit viel Tamtam, großem Konzert und zugehöriger DVD. Dann reist er mit einem irrsinnigen Zirkus und einem Dutzend Gastmusikern um die Welt, um das Gorillaz-Album Plastic Beach aufzuführen. Und fast nebenbei schraubt er auf seinem iPad ein neues Album zusammen. Studiomischpult und Aufnahmekammern braucht ein Albarn nicht.
Die Mitglieder der Gorillaz-Fanclubs konnten The Fall zu Weihnachten kostenlos herunterladen. Alle anderen dürfen die 15 neuen Lieder im Tausch gegen eine eMail-Adresse immerhin im Stream hören. Eine Single kann, unterlegt mit Impressionen von der Nordamerika-Tour der Band, auf YouTube bestaunt werden.
Mit üppig knarzendem Bass und einer Synthie-Stimme im Stück Phoner To Arizona beginnt das Album. Bis auf wenige Ausnahmen klingt The Fall technoider, experimenteller und weniger eingängig, als man es von den Gorillaz gewohnt ist. Die bunte Cartoonwelt um 2D, Noodle, Murdoc Niccals und Russel Hobbs ist etwas verblasst. Auf dem Cover zeigt sich nur der Sänger: Es ist im Grunde ein 2D-Soloalbum.
Anders als alle regulären Gorillaz-Platten dreht sich The Fall nicht um die Zusammenarbeit mit anderen Musikern. Neben Albarn, der 2D seine Stimme leiht, tritt kaum jemand auf, vor allem kein einziger Rapper. Das ist bemerkenswert, galt doch das Gorillaz-Projekt einmal als Albarns Hiphop-Abenteuer.
Den Bass im Instrumentalstück Aspen Forest spielt immerhin die Punklegende Paul Simonon, vormals bei The Clash. Und Bobby Womack singt Bobby in Phoenix. Stilistisch ist The Fall wenig festgelegt, vielmehr schwingt es zwischen den vielen Projekten Damon Albarns hin und her: Hier klingt es ein wenig nach Blur, dort nach The Good, The Bad and The Queen, dann auch nach den Gorillaz und oft genug so, als würde sich Damon Albarn einfach die Wartezeit zwischen zwei Auftritten durchaus hörenswerten Fingerübungen vertreiben.
Und das ist wirklich beeindruckend: Wie beiläufig Albarn diese eigenwilligen bis eingängigen Elektropopstücke komponiert. Mal eben so, auf einem Tablet-Computer zusammengeschustert und – zack – ins Netz gestellt.
Dass dieses facettenreiche, stellenweise großartige Album auf die recht abgespielte Gorillaz-Erzählung verzichtet, muss niemanden bekümmern. Ein wenig schade ist es lediglich, dass Albarn so wenige der Gastmusiker, die ihn auf der Tour begleitet haben, zum Mitmachen animiert hat. Nun, vielleicht kommt das noch, denn das bisher als Demo betitelte The Fall soll im Laufe des Jahres auch als reguläres Album erscheinen.
„The Fall“ von Gorillaz erscheint bei EMI und ist derzeit hier als Stream abzurufen.