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Bissige Blumenkinder

 

Barfuß, langhaarig und trendfern: Die Folk-Band Family Of The Year singt an gegen den Trübsinn. „Our Songbook“ pflegt die amerikanische, gut gelaunte Rebellion.

© Washashore

Es gibt viele gute Gründe, in dieser tristen Zeit an den Fluss zu gehen, um alles hinter sich zu lassen, und doch machen’s die wenigsten. Ran ans Ufer, ein Feuer anzünden? Eskapismus! Hinein ins Wasser, um den Dreck der Welt abzuspülen? Keine Garantie gegen Klimakriegterrorweltuntergangstraumata.

Die Band, die auf den schönen Namen Family of the Year hört, hat sich entschieden. Die Mitglieder gehen, zünden, springen und lassen ein Album lang den Schrecken da draußen Schrecken sein, gleich zum Auftakt ihrer wunderbaren Debütplatte Our Songbook und in vielen der 13 folgenden Brustkrampflöser der Indiefolkgruppe aus Kalifornien. Wo sonst sollte eine Band, die so den Gestus gut gelaunter Rebellion pflegt, auch leben als im Geburtsland der Flower Power?

Es waren mal sechs, sie sind zwischendurch kurz zu einem Quartett geschrumpft und derzeit zu fünft. Trotz ihrer kalifornischen Herkunft sind Family of the Year nicht bloß Blumenkinder, dafür ist die Gitarre zu bissig, die Orgel zu technoid, der Takt zu rasant. Barfuß, langhaarig, trendfern zwar, aber selten nostalgisch, fordern sie, sich nicht vom Trübsinn kriegen zu lassen.

Mit zweigeschlechtlichem Gesang klagen all die Antihelden und summer girls in sandigen Schuhen, die diese Lieder bevölkern, ihr Recht auf Naivität ein. Das uramerikanisch-trotzige anything goes mal nicht als Zustandsbeschreibung, sondern als Zukunftsvision. Wenn das die Familie des Jahres ist, kann 2011 alles nur besser werden.

„Our Songbook“ von Family Of The Year ist erschienen bei Washashore/Cargo.

Aus der ZEIT Nr. 3/2010