The Go! Team aus Brighton wirken wie eine Überdosis Kaffee. Ihr heiterer Zappelfunk schöpft aus dem Instrumentarium einer ganzen Musikschule.
Wer wo steht im Popzirkus, lässt sich durchaus an der schieren Zahl verwendeter Noten, Töne, Samples bemessen. Minimal-House oder Big Beat, Stadion-Rock oder Singer/Songwriting, John Cage oder Jethro Tull – alles eine Frage der Dosis.
Im Rahmen dieser eher schlichten Skalierung funktionieren The Go! Team zweifelsohne nach dem Prinzip „Viel hilft viel“. Denn das Sextett aus Brighton pflegt seit nunmehr acht Jahren die Komposition maximaler Instrumentierung, ein anything goes im Sinne von: alles muss, alle müssen mit.
Ihr symphonischer Postrock kennt keine Bescheidenheit, nur Geschwindigkeit, Spaß und Kuddelmuddel. So klingt auch das neue, dritte Album, als hätte eine Schar Cheerleader auf Speed den Fundus der örtlichen Kreismusikschule geplündert.
Ist das noch Pop, seine Quintessenz gar oder doch bereits das Chaos? Es ist vor allem eine der charmantesten weil bestgelaunten, aber nie gefälligen oder aufgesetzt heiteren Platten des Jahres. Und obwohl 2011 noch so jung ist, könnte man beruhigt die Prognose wagen, dass es das bis zum Ende bleibt.
Rolling Blackouts ist also nichts für Freunde des Understatements, der Melancholie oder anderer Selbstbeschränkungen. Es ist Zappelmusik, Sportmusik, eine Art analoger Popentsprechung zum kompetitiven Breakbeatstakkato des Drum’n’Bass.
Symptomatisch dafür ist T.O.R.N.A.D.O., ein Eröffnungsstück wie ein Exposé: Einem Wirbelsturm gleich fegt das Team um die fiebrig rappende MC Ninja durch ein gut gefülltes Klangrepertoire. Bläser, ob Blech oder Holz, Percussions, das ganze Universum, alles was Saiten, Felle und Tasten hat, Sample-Kaskaden übereinander, nebeneinander, ineinander gelegt, als ticke auf dem Zünder eine Zeituhr Richtung Null, bis James Bonds Gegenspieler die Welt vernichtet. Und so geht es noch zwölf weitere Stücke, pausenlos. Wem das schon zu hyperventilierend erscheint, der muss die Band mal live erleben…
Das Besondere daran, das Eigenständige aber: The Go! Team wirken in ihrer Nervosität hypermodern, rückständig, aus der Zeit gefallen, alles in einem. Es ist ein gezielt dissonanter Dancefloor-Funkrock mit inhaltsreichem Sprechgesang, der sich nirgends, in keiner Epoche, keinem Genre, einschachteln lässt. Dem man zwar hier und da Einflüsse, Reminiszenzen andichten kann – Malcolm McLarens Achtzigerjahre-Hymne Double Dutch vielleicht, ein bisschen Teenage Fanclub oder High-School-Film-Soundtrack, Gute-Laune-Musik also voller Girls mit nur einem statt der revoltierenden vier R, auch wenn MC Ninja bisweilen wie die wütende Ting-Tings-Sängerin Katie White klingt.
Drei Männer, drei Frauen, jeder Refrain eine Hymne, jede Strophe orchestral, manchmal zu viel des Guten, aber immer mit glühendem Herzen – Rolling Blackouts sollte man besser nicht nach zu viel starkem Kaffee oder ähnlich aufputschenden Substanzen genießen; es droht Überhitzung. Ein Wunder, dass dabei die Harmonie so selten flöten geht. Kein Wunder, dass sie damit nie im Radio zu hören sein werden. Überdosierung ist nichts für die Masse.
„Rolling Blackouts“ von The Go! Team ist erschienen bei PIAS/Rough Trade.