Was Avishai Cohen alles mischt! Hebräisches, Andalusisches, Sephardisches, Russisches, Barockes und Modernes fügt er in einen Jazzentwurf, der auch Nichtjazzer überzeugt.
Avishai Cohen ist einer der wenigen Jazzmusiker, die auch Nichtjazzer rasch überzeugen, ohne sich dem Mainstream anzubiedern. Der Bassist verschränkt eine Art Post-Bop mit glasperlenverspieltem Jazz nach skandinavischer Art und nahöstlichen Melodien, lässt Oud und Englisch Horn spielen, singt Hebräisch, Englisch, Spanisch und Ladino (die romanische Sprache der Sephardim, der iberischstämmigen Juden).
Im Jahr 1970 nahe Jerusalem geboren, lernt er von den Eltern Mozart und sephardische Lieder kennen. „Es war immer ein Piano im Haus und ich spielte auch ständig damit herum“, erinnert sich Avishai Cohen (nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen israelischen Jazz-Trompeter). „Ich erfand kleine Melodien und benutzte Muscheln aus dem Meer, um damit die Tasten zu markieren. Das war meine Art, mir die Struktur der Melodien zu merken.“ Das erklärt vielleicht nichts. Vielleicht einiges.
Denn Cohens Songs umgibt eine magische Aura. Das ist mit dem kosmopolitischen Esprit nicht ausreichend begründet, den hebräischen und arabisch-andalusischen Untertönen, den barocken Kontrapunkten und iberischen Folklorelinien. Da ist mehr: die Gabe, aus all dem etwas zu formen, das über die Summe der Teile hinausgeht, nicht nach einem Bauplan, sondern organisch, lebendig, eine Gaudí-Kirche, ein Landschaftsgarten, die sieben Weltmeere – Seven Seas heißt das Album.
„Ein Israeli zu sein“, sagt Cohen, „heißt, sehr multikulturell zu sein. Es gibt viele russische, polnische, osteuropäische und deutsche Wurzeln; spanische, türkische und griechische Einflüsse.“ Die Sepharden nennt er, „Gypsies“ aus Bulgarien und vom Balkan und die arabischen Rhythmen der Darbouka. „Das brachte einen speziellen Sound hervor. Dieser Sound bin ich.“
Es dauerte, bis dieses Ich gereift war. Mit zehn Jahren, als Klavierschüler, begeisterte Cohen sich für Bach: „Ich verehre diese Verbindung natürlicher Schönheit, die aus einer tiefen Seele und aus mathematischer Klarheit stammt.“ Als die Familie vorübergehend in die USA zog, entdeckte er die Musik des Jazz-Bassisten Jaco Pastorius und wechselte das Instrument. Nach dem Militärdienst in Israel studierte er erst in Jerusalem, dann in New York, spielte Straßenmusik und in Latin-Bands, bis der Keyboarder Chick Corea ihn in seine Band holte.
Seit dem Album Aurora von 2010, seinem ersten beim Label Blue Note, singt Cohen auch, mit sanfter, zunehmend von Selbstvertrauen erfüllter Stimme. Er war lange in Trios unterwegs, jetzt verfestigt sich sein Quintett, manche wittern schon Stagnation. Neben Cohen singt Karen Malka, Amos Hoffmans spielt die arabische Laute Oud und Gitarre, Itamar Doari ist mit seinem umfangreichen Percussionpark der enge Partner des Pianisten Shai Maestro und hat Seven Seas mit Cohen koproduziert.
Manchmal wuchert es gar zu sehr, wird die See zu undurchsichtig. Aber das gehört wohl dazu auf dem Weg verschlungener Soundströme, die durch Kinderreimklippen und Schlafliedersunde, an sinfonischen und an stillen Stränden plätschernd, durch die sieben Meere in ein traditionelles Ladino-Lied fließen, von volltönendem Piano begleitet. Ein Ozean.
Avishai Cohen spielt am 6. April in Dortmund und im Herbst in Essen.
„Seven Seas“ von Avishai Cohen ist erschienen bei EMI.