Stell Dir vor, England trifft Indien, und beide haben was davon: Cornershop spielen den Bastardpop der Saison. Ein Beispiel für gelungene Integration.
Bollywood und Eurodance – was geografisch mehrere Erdplatten trennt, ist sich musikalisch überaus nah. Die zwei wohl flachsten Gewässer im globalen Pop sind von wahrlich erstaunlicher Untiefe: Kaum dass man eindringt, ist der Boden schon erreicht. Um auf dem Weg nach unten auf so etwas wie Inhalt zu stoßen, bedarf es großer Virtuosität und noch mehr Fingerspitzengefühls.
Über beides verfügt das indisch-englische Quintett Cornershop reichlich. Seit der Einwanderersohn Tjinder Singh vor gut 20 Jahren mit seinem Kumpel Ben Ayres erstmals Instrumente beider Kulturkreise experimentell zusammenbrachte, versetzt ihr Mash-up die seichtesten Stellen subkontinentaler Klänge mit Elementen von Rock bis House – und schafft es damit, weder in die quietschbunte Musicalwelt Bollywoods zu kippen, noch die Exotik-Schiene zu bedienen, die in den westlichen Charts für Abwechslung sorgt.
Mit ihrem neuen Studioalbum Cornershop And The Double-O Groove Of aber erklimmen Cornershop eine neue Stufe des Ethno-Samplings im Bastardpop. In welche Richtung es geht, hat ihr erster und bislang einziger Hit Brimful Of Asher bereits angedeutet: Was zentral ist und was zitiert, verschwimmt mehr denn je. Richtig verwendet, werden Empfänger und Implantat eben schwer unterscheidbar.
Gleich zu Beginn flattert die analoge Sitar wie vom Sequenzer unter den virilen Funk von United Provinces Of India und macht das Ergebnis so tanzbar wie spannend. Im ruhigen The 911 Curry legt sich die monotone Tambura unter peitschende Henry-Mancini-Bläser; im vertrackten Double Decker Eyelashes dafür ein Spinett über den monotonen Punjabi-Gesang von Bubbley Kaur, die bis dato selbst daheim in Indien eher unbekannt sein dürfte. Und wenn in The Biro Pen ein jazziges Drumsolo hereingeweht kommt, hat selbst der Letzte verstanden: Hier geht es um Dialog; hier kommunizieren die Einflüsse, statt sich nur gegenseitig zu kontrastieren wie im Pop üblich.
Cornershop klingen nicht nach Einwanderern, die im britischen Auffanglager bloße Klangspuren hinterlassen: Ihr Selbstbewusstsein bedarf keiner Herkunftszuschreibungen mehr. Aufs Selbstverständlichste bringt Tjinder Singh mit seiner Band Herkunft und Wahlheimat zusammen. Man nennt das erfolgreiche Integration. Sie klingt ganz famos.
„Cornershop And The Double-O Groove Of“ von Cornershop ft. Bubbley Kaur ist erschienen bei Ample Play Recods/Cargo.
Aus der ZEIT Nr. 12/2011