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Für alle die Sau rauslassen

 

Vier Berliner Jungs greifen zu Alkohol und Gitarren, wie viele in ihrem Alter. Warum gerade Chuckamucks rotziger Rumpelpunk so gut ankommt, ist schwer zu erklären.

© Tassilo Rüster

Es gibt kein Rezept. Jedenfalls keins mit Garantie. Denn wenn es um Rezepte ginge, wäre das von Chuckamuck vergilbt, fettfleckig und soßenverschmiert: hundertmal gekocht und nicht mehr originell, seit Johnny Rotten wieder John Lydon heißt. Alkohol. Zwei Gitarren, Bass und Schlagzeug. Alkohol. Stagediving, Garagensound, Pogo. Alkohol. Zertrampelte Trommelfelle, enthauptete Telecaster. Räudiger, rotziger, Rumpelbeatpunk.

Warum das funktioniert? Keine Ahnung. Vielleicht, weil die gerade mal Zwanzigjährigen, aber schon seit rund fünf Jahren gemeinsam von Berliner Bühnen springenden Jungs in ihren wackeligen Videos genauso drauf sind wie zwei Drittel der männlichen Bevölkerung im selben Alter: Band gegründet, um an Mädels ranzukommen; exzessive Erfahrungen mit billigem Alkohol gesammelt; zu früh zu viel geraucht und zwischendurch in irgendwelchen Fast-Food-Restaurants, Fußgängerzonen oder auf Spielplätzen rumgehangen. In diesem Zeichenfeld lassen Chuckamuck die Sau raus, stellvertretend für alle Gleichaltrigen und jene, die es mal waren.

Auf dem Weg vom klassisch-englischen zum Berliner-Republik-Punk verloren gegangen ist offenbar der unbedingte Anspruch der instrumentalen Unfähigkeit. Das stellt fest, wer zum Beispiel dem Bassisten Jules (der wie der Schlagzeuger Julius nur unter Vornamen firmiert) auf die Finger schaut. Ihrem Sänger Oska Wald ist anzuhören, dass er etwa seit dem Stimmbruch mit campinomäßigem Gegröle seinen Kehlkopf trainiert. Auf Deutsch und (selten) Englisch raspelt er frisch gepresste Kronkorkenblechfeilspäne.

Die minimalistischen Texte handeln von fortgegangenen Mädchen und Schokoriegeln, von Rausch, Ekstase und der leeren Zeit dazwischen: „In meiner Badewanne brenn ich Schnaps“ oder „Zack zazack, wir haben rumgemacht“ oder „Wir fahren hin und her“, unter Liedtiteln wie Mein Hund & Ich oder Gestern traf ich Dan Treacy (den Kopf der Pop-Punk-Urgesteine Television Personalities). Die Mitmusiker Aahen und Oohen wie weiland die Fab Four zu Star-Club-Zeiten oder heruntergekommene Hinterhof-Beach-Boys, rempeln sich durch zwischen Chuck Berry und King Khan, die Libertines und Black Lips.

Einige Clubs ließen sie nicht mehr auftreten, erzählen Oska, Jules, Lorenz O’Toole und Julius, die aus dem Urstromtal der Panke kommen, den nördlichen Stadtteilen Berlins; es gehe das Gerücht, sie machten immer alles kaputt. Nur aus Versehen, beteuern sie treuherzig – und zeigen im Video zu Alcohol die kunstgerechte Demolation eines Drumsets, wildes Gepoge vor der Bühne und eine kopflose E-Gitarre. Wild for Adventure heißt ihr Album, eingespielt haben sie es – Ehrensache – live.

Das Popkulturfachblatt Spex bescheinigt Chuckamuck: „Nur wenige übersetzen den Drang zu Entgrenzung, Ausflippen, Durchdrehen in Musik, die so lässig tight ist und deren Gitarrenriffs doch so daneben sind“. Von den Streicherarrangements in Schlaf noch nich ganz zu schweigen. Und nach dem letzten Lied gehen sie dann von der Bühne, lassen die Gitarren stehen und die Rückkopplung weiterdröhnen wie hundert Bands vor ihnen. Was ist also die geheime Zutat, die Chuckamuck (abgleitet vom Englischen „to chuck a luck„, einen heben) so besonders macht? Keine Ahnung. Es gibt keine Rezepte.

„Wild for Adventure“ von Chuckamuck ist erschienen bei Staatsakt. Im April sind Chuckamuck auf Deutschlandtour.