Wie gut, dass KIZ sich nicht so ernst nehmen: Mit ihrem großartigen vierten Album „Urlaub fürs Gehirn“ bringt die Berliner Rap-Gruppe Schlaumeier und Baggyhosenträger zusammen.
Deutscher Rap, eine Seifenoper: Harte, aber durchaus auch sensible Jungs wie Bushido und Fler zerstreiten sich, versöhnen sich, zerstreiten sich wieder. Fieslinge wie Farid Bang treten mit Drohungen und Sticheleien in Erscheinung. Dazwischen blinzelt ab und zu ein weintrinkender Student wie Casper unter seinem Pony hervor. Unterhaltsam ist das schon. Aber auch ziemlich eindimensional.
KIZ sind da eher wie die Simpsons: Kinder schauen die Zeichentrickserie wegen der unkomplizierten Plots und des Slapstick-Humors, Erwachsene (das sagen sie jedenfalls) schätzen die Anspielungen auf Pop- und Gegenwartskultur. Auch die Stücke der vier Berliner funktionieren auf verschiedenen Ebenen. Journalisten zeigen sich begeistert über doppelbödige und ironische Kommentare zum Zeitgeschehen. Den (ziemlich jungen) Durchschnittshörer interessiert das wahrscheinlich nicht so sehr. Der wartet auf den noch durchdachteren Battle-Reim, mit dem die Rapper Tarek, Maxim und Nico (der Vierte in der Gruppe ist DJ Craft) sich selbst feiern und den imaginären Gegner demontieren. Und für diese Reime haben sie ein besseres Händchen als irgendwer sonst in Deutschland.
Dass sie auch auf dem neuen Album Urlaub fürs Gehirn etwas für Bildungsbürger wie Baggyhosenträger mitbringen, stellen sie gleich auf dem ersten Titel klar: Küss mir den Schwanz werden Freunde intelligenter Popmusik für seine Anleihen am Oldschool-Rap der Achtziger und seine Deutschrap-Referenzen mögen. Das Hip-Hop-Publikum wird sich über Sprüche wie „deine einzigen Freunde sind Karies und Baktus“ freuen. Und der eine oder andere Feuilletonleser schmunzelt vielleicht darüber, wie die Gruppe der Behauptung, sie sei der wandelnde Gegensatz zum deutschen Straßenrap-Geschehen, eine ironische Absage erteilt: „KIZ sind die Guten / gegen Rap mit Gewalt / Ihr sollt Bordstein fressen / wie wir Pfeffer und Salz“.
Das letzte Album Sexismus gegen Rechts klang zuweilen nach kalkulierter Massentauglichkeit und ließ befürchten, dass KIZ sich zu lustigen, aber harmlos rappenden Comedians, zu deutschen Pendants der Kalifornier von The Lonely Island entwickeln. Zum Glück aber ist Urlaub fürs Gehirn wieder der Zirkus, mit dem die Gruppe vor fünf Jahren auf sich aufmerksam machte – nur textlich, konzeptionell und musikalisch auf höherem Niveau. Sie verzichtet auf plumpe Gassenhauer, stattdessen schaut überall die Persiflage hervor: Auf den Billigpop (Urlaub fürs Gehirn), die Sarrazin-Thesen (Doitschland schafft sich ab), die Business-Rhetorik (Abteilungsleiter der Liebe). Oder auf so obskure Subgenres wie Horror-Rap (Lauf Weg) – wenn sich eine erfolgreiche Combo so liebevoll der Fußnoten des Hip-Hop-Geschehens annimmt, wird dem Fan warm ums Herz.
Auch das ist wie bei den Simpsons: Wegen ihrer Vielschichtigkeit verzeiht man KIZ eigentlich alles. Das gilt für die bombastischen Jahrmarkt-Beats, die durch das Album rumpeln, wie für die Kannibalismus-Fantasien in Fleisch. Es gilt auch für das vielleicht erste Rap-Lied über Exkremente, das im Januar als, ähem, Appetitmacher veröffentlicht wurde, aber nicht auf dem Album gelandet ist.
„I admit, my first watch was a fossil / now I’m in the Louvre, looking for fossils„, rappte Kanye West im vergangenen Sommer auf See Me Now. Er und die anderen großen Übertreiber aus dem Mutterland haben verstanden: Gerade Angeber-Rap braucht Humor, Selbstironie, Cleverness. Der Verdienst von KIZ ist, dass sie auch hierzulande Dinge zusammenbringen, die zusammen gehören.
„Urlaub fürs Gehirn“ von KIZ ist erschienen bei Vertigo Berlin/Universal.