Der Österreicher John Tejada lässt elektronische Musik menschlich klingen. Sein neuntes Album „Parabolas“ ist großartiges, stilvolles Understatement.
Wer wie John Tejada schon fast 17 Jahre an der Spitze der Produzenten mitspielt, mittlerweile neun Platten veröffentlicht hat und diese in allen DJ-Koffern dieser Welt vertreten weiß, der erfindet den Techno nicht mehr täglich neu. Vielmehr geht es ums Abrunden, Nuancen verschieben, Positionen verdeutlichen.
Für sein neues Album hat Tejada die wichtigsten Merkmale seines Sounds perfektioniert und doch in frische Fahrwasser gelenkt. So erscheint Parabolas beim Kölner Label Kompakt. Tejadas minimaler, ambienter Techno und die feinsinnige Kölner Schule für die popverliebten 4/4-Schuber – das sollte glücken. Und wie es glückt.
Es gibt nicht viele Platten, die schon nach 30 Sekunden keinen Zweifel daran lassen, dass hier Großes geschieht. Parabolas ist so eine Platte. Und Farther and Fainter ist so ein Stück. Eine silbrig glänzende, klingende Synthesizer-Schleife, die immer wieder ins Licht zurückfindet. Darunter pulsiert eine Basstrommel, präsize gesetzt wie ein Punkt, Rhythmuspartikel schweifen aus wie blaue Funken.
„Ah, Detroit„, seufzt der Unverbesserliche. Die große Sehnsuchtsstadt, die Techno den Soul gegeben hat. John Tejada, der in Los Angeles lebt, baut viele Momente seines Albums auf diesem Gefühl auf. Wie kann es eigentlich sein, dass Maschinengeräusche so viel Wärme erzeugen?
Für Parabolas hat sich Tejada vorgenommen, seine analogen Sequencer ruhen zu lassen. Er wolle Melodien wieder mit den Händen spielen, hat er gesagt. Vielleicht ist es das, was diese Platte so organisch klingen lässt. Man hört die Hände unter den Maschinen. Die dunklen Klavierakkorde in The Dream, das emotionale Mechanized World mit seinen zahllosen Texturen oder die atemberaubende Tiefe von Subdivided – jedes Element schimmert, Parabolas durchzieht ein Groove wie aus Lampions zusammengesetzt. Vor allem Subdivided ist ein Höhepunkt der Platte: Selten klang Kraftwerks Erbe plausibler zu Ende gedacht.
Parabolas ist eine minimalistische Platte, in ihrer Zurückhaltung ein großes Understatement. Es gibt Leerstellen, auf ihre Essenz reduzierte Klangfarben. Bässe schieben sich hier nicht wie Viehherden umher, sondern hinterlassen unsichtbare Spuren im Schallfeld. Alles klingt ungeheuer klar und weiträumig. Das liegt zum einen daran, dass Tejada die meisten Stücke mit einem weichen Halleffekt belegt hat. Zum anderen aber gelingt diese Weiträumigkeit durch die Sorgfalt der Arrangements. Nichts wirkt gedrängt. Stattdessen hat der Hörer das Gefühl, sich in Parabolas bewegen zu können.
Dass die Platte zum Ende hin fast schon konventionelle Mittel aufbietet, um den scheinbar endlosen Ideenstrom sicher abzufangen, mag man entschuldigen. Tatsächlich klingt Tejada an dieser Stelle richtig nach Techno und leider auch etwas belanglos. Die letzten Nummern schwingen schön, im Vergleich zu den schwerelosen Vorgängern wirken sie aber eher unverbindlich. Und so bleibt der Schluss eben ein Uncertain End. Die Parabel mag eine Kurve zweiter Ordnung sein, Parabolas ist zumindest in seinen Hochphasen ein Album erster Klasse.
„Parabolas“ von John Tejada ist bei Kompakt erschienen.