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Wer hier abwinkt, soll Country hören

 

Jeff Tweedy und seine Band Wilco legen ein neues Album vor. „The Whole Love“ zeigt, wo ihr Folkrock seine Wurzeln hat und wohin er unterwegs ist.

© Epitaph

Wer bei Country abwinkt, sollte bei Wilco hinhören. Spätestens seit 2002. Damals erwartete die Plattenfirma wieder einmal rustikal eingefärbten Indie-Rock. Was sie bekam, war der elektronisch eingefärbte Indierock von Yankee Hotel Foxtrot. Ganz dezent nur, aber die Firma lehnte ab. Also kaufte die Band die Rechte zurück, brachte das Album anderswo unter – und gilt seitdem zu Recht als das gute Gewissen des Genres. Ihre lässige Liaison aus Tradition und Moderne klingt auch auf The Whole Love wieder ungemein versöhnlich und tröstlich.

Zwar beginnt die Platte mit einer epischen Stromschnelle von einem Song, mit vertrackten Rhythmen und aggressiver E-Gitarrenarbeit (Art Of Almost), segelt aber fortan in souveräner Schönheit dahin. Von Moll zu Dur und wieder zurück, mit deutlichem Willen zum Pop.

Songwriter Jeff Tweedy stellt seine Saiten mal in den Dienst einer melancholischen Ballade, mal in den einer muskulösen Uptempo-Nummer. In den Vordergrund spielt er sich nie, die Arrangements bleiben selbst dann luftig, wenn mal Streicher hindurchwehen.

Dabei bleibt stets spürbar, wo diese Musik ihre Wurzeln hat – und wohin sie unterwegs ist. The Whole Love schließt mit einer zwölf Minuten währenden Folk-Meditation, die sich nur ganz am Ende in elektronische Tupfer auflöst. Wer hier abwinkt, soll Country hören.

„The Whole Love“ von Wilco ist erschienen bei Anti/dBpm/Epitaph.

Aus der ZEIT Nr. 39/2011