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Ja, wir wollen leiden!

 

Sehr traurig, aber wunderschön: Der Songwriter Chris Hooson alias Dakota Suite singt von Tod und Verderben. Eine herbstliche Prüfung, ihm in die Dunkelheit zu folgen.

© Indigo

Man hört es ja immer wieder: Menschen, die besonders traurige Musik machen, seien im wirklichen Leben ausgesprochene Witzbolde. Chris Hooson gehört nicht zu diesen Menschen. Andere mögen ja so lange von Tod, Verderben und Abgründen singen, bis sie mörderisch gute Laune bekommen. Chris Hooson aber singt so lange von Tod, Verderben und Abgründen, bis er immerhin nicht mehr dauernd an Selbstmord denken muss.

Dakota Suite nennt sich Hooson, wenn er Musik macht. The Side Of Her Inexhaustible Heart ist schon sein sechzehntes Album. All diese Alben trugen auf dem Cover ein Schwarz-Weiß-Foto mit meist grafischen Landschaftsdetails und immer definitiv herbstlicher Stimmung. Auf all diesen Alben befand sich eine Musik, die nicht mehr nur traurig, sondern verzweifelt ist. Nicht niedergeschlagen, sondern depressiv. Nicht bedrückend, sondern erdrückend.

Jedoch erst einmal und vor allem: wunderschön. Auf The Side Of Her Inexhaustible Heart sind mit viel Abstand zueinander die Töne des von Quentin Sirjacq gespielten Klaviers angeordnet. Hin und wieder kuschelt sich ein Cello dazwischen, vielleicht auch ein Kontrabass oder, aber nur sehr selten, ein Vibrafon. Ab und an und immer seltener singt Hooson dann, schafft wie aus dem Nichts Melodien mit Ewigkeitswert, aber viel wichtiger ist es, was nicht passiert in dieser Musik.

Es ist, im besten Sinne, eine Prüfung, Chris Hooson in die Dunkelheit zu folgen. Waiting For The Dawn To Crawl Through And Take Away Your Life hieß eine frühere Platte. Mehrere Selbstmordversuche hat der 40-Jährige bereits hinter sich. Wenn man sich mit ihm unterhält, ist er freundlich, aber zurückhaltend, und spricht ganz offen über seine Depressionen. Er sagt dann in einem Tonfall, als wollte er dem Kellner mitteilen, dass er Vegetarier ist: „Ich kann nicht glücklich sein.“

Hooson lebt in Leeds. Dort verdient er als Sozialarbeiter und Bewährungshelfer sein Geld, er betreut vor allem Sexualstraftäter. Er hat zwei Söhne, von denen er hofft, „dass sie nicht so werden wie ich“, und eine Frau namens Joanna, „die jeden Tag mein Leben rettet“. Wichtiger als seine Musik, seine Arbeit und seine Familie ist Hooson nur eins: der Fußball. Natürlich ist er nicht Anhänger eines aktuell erfolgreichen oder wenigstens coolen Klubs, sondern des FC Everton, der 1987 zum letzten Mal die Meisterschaft gewonnen hat und seitdem im Mittelmaß herumkraucht.

Die Musik, sagt Hooson, macht er nicht für andere, sondern allein für sich. Sie ist seine einzige Chance, einen neuen Tag zu erleben und noch einen. Herkömmliche Therapien würden bei ihm nicht verfangen, weil er sie durch seine berufliche Vorbildung durchschaue. Erfolgversprechender hält er, Songs zu singen, die Yes We Will Suffer heißen oder Where The Tears Go.

Innerhalb des so faszinierenden wie abgeschlossenen Dakota-Suite-Kosmos ist The Side Of Her Inexhaustible Heart eine logische Weiterentwicklung. Die Gitarre, die frühere Werke bestimmte, schweigt schon seit einiger Zeit. Nun verstummt auch Hooson selbst allmählich, singt immer weniger, aber man meint fast, man könnte ihn hören, wie er der Ruhe nachlauscht, die seine Musik einzufangen versucht. Ihm dabei zuzuhören, vertreibt nicht unbedingt dunkle Gedanken. Aber Dakota Suite gibt einem die Hoffnung, dass sich irgendwann aller Schmerz in Schönheit verwandelt.

„The Side Of Her Inexhaustible Heart“ von Dakota Suite und Quentin Sirjacq erscheint bei Glitterhouse/Indigo.