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Horror zum Hören

 

Ein Flüstern, Fisteln, Krächzen, Raunen: David Lynch hat sein erstes Album aufgenommen. „Crazy Clown Time“ kann für die Psyche nicht gesund sein.

© David Anew/PIAS

Das erste Album von David Lynch – ja, dem Filmregisseur – klingt genauso, wie man es von ihm erwartet hätte. Ist das jetzt gut oder schlecht? Schrullig, unheimlich, von geräuschhaften Überraschungen durchsetzt. Der Soundtrack zu den Alpträumen hinter amerikanischen Kleinstadtidyllenkulissen, wie Lynch sie auch in Bilder zu setzen pflegt.

Lynch trifft also seinen Markenkern. „Die vierzehn Songs voller spannungsvollen Soundscapes, hypnotischen Rhythmen und rätselhaften Texten enthalten alle Elemente, die Lynch-Fans begeistern“, heißt es im Promo-Text. So wie die nach ihm benannte Kaffeesorte außer Koffein auch sonst alles enthält, was cool ist: bio, fair gehandelt, Spende an Lynchs Stiftung, angeblich für Filmstudenten.

Crazy Clown Time heißt das Album, in bester Lynch-Manier: Der Zirkuspossenreißer hat im Horrorgenre spätestens seit Stephen Kings Es einen festen Platz. Der Clown Ronald McDonald, das Maskottchen der Fleischklopssemmelkette, ist ein Nationalsymbol der USA. Aber auch der mörderische Joker aus Batman ist ein irrer Clown.

Lynch singt nicht, das kann er gar nicht, er spricht, flüstert, fistelt, krächzt, raunt. Selbst dabei ist seine Stimme oft elektronisch verfremdet. Der Filmregisseur spielt zwar damit, in seinen Werken in Erscheinung zu treten – aber er denkt nicht daran, wirklich als er selbst im Rampenlicht zu stehen. Er trägt Maske und erzählt seine Geschichte durch Auslassungen: Warum nuschelt der Kerl in dem Song so? Hat ihm jemand eine reingehauen? Hat er es verdient?

Zwar spielt Crazy Clown Time auf Blues und Rock an, wahrt die Form des Popsongs. Schließlich hat Lynch 1987 Roy Orbisons Comeback-Best-Of-Neuaufnahmen koproduziert, für seine Soundtracks immer wieder klassische Songs ausgewählt und erst jüngst bei einem Webcast für Duran Duran Regie geführt. Aber das Album schert sich einen digitalen Dreck um das alte Rockideal emotionaler, direkter, einfacher Musik. Es ist ein Konstrukt, ein Elaborat, schichtverleimt aus Genre-Zitaten, Regieeinfällen, rätselhaften Texten und viel Hall. Der postmodernistische Verzicht auf narrative Struktur und erkennbaren Sinn gehört bei Lynch selbstverständlich zum Programm.

Langsam kommen die Songs voran, als schleppten sie sich mühsam durch düstere Flure zu groß geratener Häuser, zwischen Vorgartenzäunen hindurch zum Fußballfeld, dem Lynch ein Stück widmet. Wer hätte gedacht, dass es sich bei Football Game um eine unbeschwerte samstagnachmittägliche Fanhymne handeln könnte – niemand? Ist es auch nicht.

Textlich wie musikalisch bleibt es bei Andeutungen. Archaische Gitarren kommen zu Wort, erzählen ihre Geschichte aber nie zu Ende, Drums rumpeln ungelenk durch Kellerhall, E-Orgeln wallen. Wo elektronische Musik die Folie liefert, fehlen dem Tempo für Tanzflächeneignung etliche Beats pro Minute. Einmal, im Eröffnungsstück Pinky’s Dream, erklingt eine Frauenstimme – Karen O (Yeah Yeah Yeahs) –, sonst quält Lynch sich selbst und seine Zuhörer durch geheimnisvolle Zeilen von Nacht und Gewalt, von Einsamkeit und Obsession.

Und von den Segnungen transzendentaler Meditation, denen der epische Titel Strange and Unproductive Thinking gewidmet ist. Lynch ist ein Anhänger dieser Lehre, deren Vertreter „yogisches Fliegen“ unterrichten, meistens gegen hohe Kursgebühren. Vielleicht muss man dieses Album ja verstehen wie einen der scheinbar sinnfreien Sprüche, mit denen Gurus ihre Adepten triezen. Man darf nicht Schicht um Schicht entblättern, bis wie bei einer Zwiebel nichts bleibt als Tränen. Sondern muss sich einfühlen, eindenken, einschwingen. Aber gesund für die Psyche kann das nicht sein.

„Crazy Clown Time“ von David Lynch ist erschienen bei Pias/Rough Trade.