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Wir brauchen Raubkatzen statt Miezekatzen

 

Die Wahlberlinerin Toni Kater singt Lieder vom Verlassenwerden und Verlorensein. Verspielt, klug, aber vorhersehbar. Könnte sie nicht mal die Krallen ausfahren?

© Jan Brockhaus/Solaris Empire

Toni Kater kommt auf leisen Pfoten daher. Es klingt, als säße sie am Küchentisch, wärmte sich die Hände an einer Tasse Minztee und schaute in den trüben Großstadthimmel.

Fast alle der zwölf Titel auf ihrem dritten Album sind wie hingetupfte Regentropfen. Ruhige Klavierakkorde, behäbig gezupfte Gitarrensaiten und verhuschte Synthie-Elemente begleiten ihre Geschichten vom Verlassenwerden und Verlorensein.

In Venedig klagt die Wahlberlinerin, es gehe nicht vorwärts und nicht zurück, dazu rauscht es (wahrscheinlich das Meer). Raubtier beginnt mit zwitschernden Vögeln und endet mit Trommelschlägen. Zu den besten Titeln gehört Krass, das sich zur Hymne steigert und lange nachklingt, weil es nicht nur im Ungefähren schwebt.

Aus der Reihe tanzt auch América, ein französisches Duett mit Rudolph Moser von den Einstürzenden Neubauten. Neben einem exzentrischen Banjo jault eine Trompete. Sie fiel vom Himmel ist verspielter Pop, klug, aufmerksam, aber vorhersehbar.

Toni Kater stellt die richtigen Fragen, übt manchmal gar Gesellschaftskritik. Meistens aber gibt sie das zahme Mädchen mit überkreuzten Beinen, das seinem Liebsten nachspürt. Dabei weiß sie doch selbst: „Manchmal hat man keine andere Wahl / was immer Du willst und alles andere ist egal.“

Kann sie nicht öfter die Krallen ausfahren? Raubkatzen braucht das Land!

„Sie fiel vom Himmel“ von Toni Kater ist erschienen bei Solaris Empire.

Aus der ZEIT Nr. 4/2012