Intelligent behaglich, so klingen Kettcar seit Jahren. Wie schade, dass sie sich auch für ihr neues Album nicht aus dem Federbett der Kernkompetenz herausbequemen.
Kettcar – da weiß man, was man hat: Derselbe ergreifende Kopfbariton vom wohligen Reibeisen Marcus Wiebuschs, wie gewohnt. Mit derselben durchdachten Popprosa, die ihren Hintersinn nicht beim bloßen Drüberweghören offenbart. Zum selben Tempo, dem man sogar hohe Geschwindigkeit nie anmerkt. Zwischen denselben Balladen, die so sehr aus dem Herzen sprechen, dass Stille einkehrt. Mit denselben hoffnungsfrohen Geigensamples, die andernorts so schleimig klingen, wie gewohnt.
Wer frisches Liedgut von Kettcar beschreibt, sucht überwiegend nette Worte. Aber man findet eben auch viel Gewohnheit, viel vom selben, dem Guten zwar, und Anspruch. Aber gleich bleibt gleich.
Und da wären wir beim Punkt. Zwischen den Runden, die neue Platte der wutreduzierten Nachgeburt dessen, was mal Hamburger Schule hieß, erzählt uns keine neuen Geschichten, sondern die alten bloß fort. Der Sänger und Gittarist Wiebusch, nach Niels Frevert womöglich der beste Songwriter im deutschen Sprachraum, liefert auch auf dem vierten Studioalbum wunderbaren Pop, keine Frage.
Er versieht auch hier zwölf klangliche Preziosen mit einer unentrinnbaren Harmonie, durchzogen von betörender Großstadtlyrik, in der „die bestgemeinteste Revolte / nur dem was (bringt), der sie wollte“. Erwachsene Musik für Junggebliebene, mit allen Sinnen greifbar.
Aber muss man von einer Band dieser Güte nicht mehr erwarten als nostalgische Kontinuität, eine Art Oral History in der Endlosschleife? Da stellt sich natürlich die Frage, wie innovativ Musik denn sein kann. Die Zahl der Zeichen ist ausgeschöpft und lässt sich nur noch leidlich neu kombinieren, sagen die einen und bitten um Gelassenheit. Die Neukombination der Zeichen kann die Zahl der Möglichkeiten immer weiter erhöhen, sagen die anderen und bitten um mehr Mühe. Doch zu der ringen sich Kettcar scheinbar nicht mehr recht durch und lassen sich lieber ins weiche Federbett ihrer Kernkompetenz fallen. Man könnte sie intelligente Behaglichkeit nennen.
Dagegen ist wenig einzuwenden, dafür aber noch weniger anzubringen. Anders als manche hanseatischen Nachbarn und Gesinnungsgenossen von Tocotronic bis Die Sterne, von Kante bis Tomte, die sich – nicht immer zum Guten, aber doch beständig – entwickeln, bleiben Kettcar in ihrer Kuschelecke. Daran ändern ein paar dissonante Töne wie im Nestbashing schrilles schönes hamburg oder dem Auftaktstück rettung nicht viel.
Kettcars Behaglichkeit klingt verteufelt bequem. Wenn sich das Quintett der Übervierzigjährigen also weiter auf den Lorbeeren ihres zweiten Albums Von Spatzen und Tauben, Dächern und Händen ausruhen, diesem erhabenen Melodram hiesiger Indiepopkultur, droht ihnen das Schicksal von Element of Crime. Deren Publikum gleicht längst demjenigen von Opernhäusern, gern als Silbersee verspottet – eines, das im Gleichschritt mit der Musik kultiviert ergraut.
Kettcar ist zu wünschen, dass sie nicht mehr nur kultivierte Musik mit Tiefe machen, sondern sich und anderen dabei auch mal wehtun. Für Geschmeidigkeit sind sie einfach zu gut.
„Zwischen den Runden“ von Kettcar ist erschienen bei Grand Hotel van Cleef.