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Die Babooshka von Detroit

 

Fast möchte man glauben, Kate Bush sei in den Jungbrunnen gefallen. Nein, das ist Alex Winstons Debütalbum „King Con“! Wunderbar eigenwillig, sopranesk und auch irgendwie feenhaft.

© Island Records

Unser Kosmos ist voller Unvereinbarkeiten, die irgendwie zueinander finden. Autos für Ökos etwa, Kriege für Pazifisten oder Fernsehen für Intellektuelle – alles kein Problem in Zeiten, da selbst einstige Steinewerfer Minister werden können und Milliardäre bisweilen zu Häftlingen. Japanophile Countrymusic ist da folglich genauso wenig ein Wunder wie die Wiedergeburt einer noch gar nicht Gestorbenen. Man muss sich zum Erlebnis solch seltsamer Phänomene nur King Con anhören, das Debütalbum von Alex Winston.

Die junge New Yorkerin aus Detroit hat darauf zusammengefügt, was eigentlich gar nicht zusammengehört. Und diese virtuose Gitarristin klingt dabei verteufelt nach der sehr frühen, sehr eigentümlichen Pianistin Kate Bush, ohne dabei allzu viel ihrer eigenen Eigentümlichkeit einzubüßen. Und das liegt, nein: alles liegt an der Stimme. Alex Winstons ist wie die des vermeintlichen Vorbilds glasklar, aber sonderbar oszillierend, scheinbar brüchig, dennoch kraftvoll und dabei oft ähnlich mystisch wie die jener Popfee der frühen Achtziger. Auch Winstons Texte drehen sich um allerlei Feenwesen, Mythen und Schamanen. Angeblich.

Denn sprachliche Inhalte verschwinden hinter Alex Winstons betörendem Countersopran, diesem hoch, höheren, höchsten Organ, das oft gar nicht richtig real scheint und gerade dadurch seine Präsenz erreicht. Diese klassisch geschulte Naturerscheinung wird umso eindrücklicher, wenn sie darunter wie im Auftaktstück Fire Ant pathetische Filmwesternchöre legt, auch im nachfolgenden Velvet Elvis den Eindruck erweckt, als ritte da eine Geisha durch die Prärie und das Ganze beim dritten Titel Medicine (die sie darin partout nicht einnehmen will) mit einem lustigen Banjo unterfüttert.

Leider hält Alex Winston diese Feier gegensätzlicher Stilrichtungen nicht durch; leider wird aus dem noch bezaubernden, sehr verstörenden, beeindruckenden ersten Drittel im Laufe des Albums zusehends Pop, dem die Brüche fehlen.

Trotzdem ist King Con eine wunderbare Platte. Eine, die zugegeben hier und da ein bisschen retrospektiv nach Bushs Babooshka oder ihrem Welthit Running Up That Hill klingt. Die aber dank weltlicherer Einflüsse von Surf- über Sixties-Girls- bis hin zu Psychopop und etwas Motown eigenständiger wirkt als ein bloßer Versuch, sich von jemandem mit ähnlichem Ansatz nur so weit wie nötig zu emanzipieren.

Das macht Alex Winston schwer kategorisierbar. Denn so bekannt einem manches von ihr vorkommen mag, so mainstreamfern und chartsuntauglich hört es sich letztlich an. Und wenn sie gegen Ende von King Con, im wunderbaren Benny, The Doors mit Brigitte Bardot gemeinsam aufs Rodeo schickt, möchte man, dass es mehr als ein PR-Gag war, zur Veröffentlichung von Velvet Elvis wochenlang im Presley-Kostüm herumzulaufen. Sondern der alte Popspirit, diese Herzensphilosophie ganzheitlicher Musikansätze, alles nur deshalb in einen Topf zu schmeißen, um daraus etwas Großes für alle zu formen. Nach dem Genuss von King Con ist man geneigt, das zu glauben.

„King Con“ von Alex Winston ist erschienen bei Island Records.