Wie Manfred Krug in seinen besten Zeiten: Freddy Fischer aus Berlin lebt in der goldenen Disco-Ära und verbindet simple Poesie mit spitzenmäßiger Unterhaltungsmusik. Ein großer Spaß!
Aktenordner, Bücherwände, Computerbildschirme und Telefon, speckige Kaffeetassen und überfüllte Papierkörbe. Auf dem Schreibtisch vielleicht ein Familienfoto. So haben Arbeitszimmer auszusehen. Nur bei Freddy Fischer hängt unter der Decke eine Discokugel. Diese funkelnde Ausstattung eines schnöden Arbeitsplatzes dürfte in Deutschland ziemlich einmalig sein. Die Musik, die Freddy Fischer & His Cosmic Rocktime Band spielen, ist es auf jeden Fall.
Denn der Berliner Keyboarder spielt zusammen mit dem Gitarristen Rex Rocktime und dem Bassisten Ron Rocktime nicht nur einfach Disco-Musik, wie sie in den späten siebziger und frühen achtziger Jahren gespielt wurde, sondern singt darüber in Deutsch. Auf Dreimal um die Sonne, dem dritten Album der Formation, gehen die musikalische Rekonstruktion der goldenen Disco-Ära und die Texte, die geschickt und nur bedingt ironisch mit Klischees aus der Schlagermusik spielen, eine perfekte Symbiose ein.
Das Ergebnis sei in erster Linie Tanzmusik, behauptet Fischer, der mit seiner Band seit 2008 die kleineren Clubs zum Schwitzen bringt. Den antiken, wundervoll warmen Sound erzeugt er auf einer Hammond-Orgel und einem Fender-Rhodes-Piano, das durch einen Phaser-Filter verfremdet wird. Ansonsten kommen Bass, Gitarre und Schlagzeug zum Einsatz. Das modernste Equipment, das sich die Cosmic Rocktime Band leistet, um Songs mit solchen Titeln wie Schalala oder Durch die Tränen in das Glück zu spielen, stammt aus der allerersten Synthesizer-Generation.
Nicht unwesentlich ergänzt wird die Musik vom visuellen Auftritt. Mit gewaltigen Koteletten und einer riesigen Hornbrille, mal im braunen Rollkragenpullover, mal im Smoking mit Fliege, sieht Fischer aus wie eine Mischung aus James Last und Ilja Richter, als er Disco moderierte. Dazu trägt er, begeistert registriert von der Berliner Lokalpresse, ein „rotes Häkelblümchen im Knopfloch“.
Das Spiel mit dem Glamour funktioniert sogar, wenn Fischer und seine Mitmusiker im aktuellen Videoclip zu Wohin kannst Du gehen mit Deiner Sehnsucht in der Hand durch ein graues Berlin wandern, das unter einem wolkenverhangenen Himmel so gar nicht aussieht wie die hippe Metropole, die die Stadt gern wäre, sondern stattdessen sehr provinziell.
Früher hat der 1968 geborene Fischer, der seinen echten Vornamen ebenso geheim hält wie den Großteil seiner Vorgeschichte, in Unterhaltungskapellen auf Betriebsfesten oder Hochzeiten gespielt. Nun singt er Zeilen wie „Du bist meine Liebe und ich lieb‘ dich so“, ohne dass die Ironie allzu aufdringlich würde.
Tatsächlich erinnern Freddy Fischer & His Cosmic Rocktime Band an einen anderen großen Moment der deutschen Popgeschichte, an die grandiosen Aufnahmen von Manfred Krug mit der Big Band von Günther Fischer aus den siebziger Jahren. Damals wurde Swing gänzlich unpeinlich mit bisweilen simpler Liebespoesie zu spitzenmäßiger Unterhaltungsmusik verschmolzen. Etwas Ähnliches gelingt Freddy Fischer nun ebenso überzeugend mit Disco. Dieses Land, so viel ist sicher, braucht mehr Discokugeln, die sich über Schreibtischen drehen.
„Dreimal um die Sonne“, von Freddy Fischer & His Cosmic Rocktime Band ist erschienen bei Sounds of Subterrania/Rough Trade.