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Ein Hammer gegen Eckensteher

 

Dieses Album gehört in jeden DJ-Werkzeugkoffer: Der Techno von Mr G alias Colin McBean klingt so funky und warm, dass es auf dem Tanzboden schnell hitzig wird.

© Rekids

Der Werkzeugmacher als Berufsbezeichnung ist vor zehn Jahren gestorben. Im Techno darf er weiterleben: Den britischen Produzenten Colin McBean alias Mr G könnte man durchaus der Gilde der musikalischen Werkzeugmacher zuordnen. Als Teil des Duos The Advent hat sich der Veteran längst seinen Meisterbrief verdient. Nun erscheint sein zweites beeindruckendes Soloalbum mit dem Titel A State Of Flux.

DJs würden die Stücke von Mr G als Tools bezeichnen. Gradlinige Tracks, die nur die eine Funktion haben: auf dem Tanzboden alles in Bewegung zu setzen. Verlässlich wie Hammer und Nagel, kann man ein echtes Tool nahezu jederzeit auf den Plattenteller legen. Ein gutes Tool hat noch jede müde Eckenstehertruppe überzeugt, deshalb finden sich in jedem gut sortierten DJ-Werkzeugkasten solche Stücke. Für den feinsinnigen Moment sind sie weniger geeignet.

Nahezu alle elf Stücke auf A State Of Flux kommen gleich zur Sache: kein langer Aufbau, keine ausgefuchste Dramaturgie. Mr G versteht es, sofort Dynamik zu erzeugen. Knochige Beats rollen unaufhaltsam geradeaus, spartanisch ummantelt von treibenden Percussions und Loops. In ihrer kaltschnäuzigen Direktheit erinnern die Stücke von Mr G an das legendäre Detroit-Techo-Duo Random Noise Generation. Und so schreitet A State Of Flux unaufhaltsam voran: Es verbreitet einen Sound, der die unbeugsame Kraft der Repetition nutzt. Und sich damit ganz nah beim Funk aufhält.

Hier hat man es fast ausnahmslos mit dicken Brettern zu tun. Aber dennoch umspielt eine fast schon greifbare Wärme das Album. Mr G verwendet nur analoge Sounds: A State Of Flux werkelt zwischen alten Keyboards, Kabelgewirr und Beatmaschinen, anstatt auf eiskalten Digitaloberflächen dahin zu gleiten. Da sind diese pfundschweren Bässe, die sich durch ganze Reggae-Soundsysteme gefressen haben. Kiloschwer rollen sie durch Stücke wie Clearing Space oder Pumped Up, angetrieben von der schmutzigen Schmiere kraftvoller Techno-Beats. Großartig klingt es, wenn Mr G wie in Dark Thoughts oder Remember This ein souliges Gesangssample zwischen die Räder wirft.

In den letzten beiden Stücken der Platte zeigt sich Mr G als perfekter Rausschmeißer: Der tiefe Elektro-Dub von Bill’s January Blues und der erhebend-jazzige Techno-Soul von New Life (ESP) beenden das Album auf einer behutsamen Note. Nach all der packenden Härte, läuft A State Of Flux fast schon bedächtig aus. Vielleicht war das nicht unbedingt nötig, aber es hebt den emotionalen Gehalt des Albums umso stärker hervor.

Sehr bedacht und mit viel Gespür für die Tiefe eines Beats, eines Samples oder einer Keyboardfigur hat Mr G ein Album gebaut, dass beispielhaft zeigt, wie viel Funk und Soul in hartem Techno stecken kann. A State Of Flux ist sicherlich nicht die Platte fürs gemütliche Einstimmen auf eine wilde Nacht. Wenn aber gegen drei Uhr morgens das Wasser in Strömen von der Decke des Clubs läuft, wird jeder DJ in seinen Werkzeugkasten schauen. Und darin hoffentlich diese Platte finden.

„A State Of Flux“ von Mr G ist bei Rekids erschienen.