Muss es denn immer mehr oder besser werden? Auf ihrem dritten Album bleiben Yeasayer dem Vielseitigkeitspop treu. Erfreulicher Stillstand.
Außer Makroökonomomen oder Wirtschaftsjournalisten verstehen es wohl die wenigsten: Warum bloß alles immerzu wachsen muss? Warum die Wirtschaft Jahr für Jahr allerorten zuzulegen hat, obwohl jeder weiß, dass die Menschheit ihr Fortbestehen schon bei Stagnation riskiert? Warum das ständige Vorwärts, Aufwärts, Neu und Besser unser aller Wohlergehen so alternativlos bestimmten soll?
Dieses Wachstumsprinzip wird mittels Musik keinesfalls verständlicher. Madonnas Erfolg etwa wird zum guten Teil vom Willen zur periodischen Metamorphose ermöglicht; U2 opfern ihre Altrockerwürde sehr erfolgreich auf den Festplatten digitaler Anbiederung an junge Hörgewohnheiten. Tocotronic klettern mit jedem Reifeprozess ihrer juvenilen Dilettanz ein paar Plätze höher in die Charts. Erst im Alterswerk sind Rückschritte erlaubt; alles andere rast lieber auf der Überholspur seiner selbst, bevor es Saures von Publikum und Feuilleton gibt, sobald es Stillstand verortet. Keine guten Aussichten für die Yeasayer.
Denn das Trio aus Brooklyn zeigt auf seinem aktuellen Album genau das, was die zwei vorigen kennzeichnete: Krautundrübenmusik, ethnisch benebelter Experimentalpop, von ihm selbst „Middle-Eastern-Psych-Pop-Snap-Gospel“ genannt – in seiner überbordenden Zeichenvielfalt brillant, in seiner kindlichen Verspieltheit ergreifend. Auf Fragrant World tun die Yeasayer es nur gemächlicher, wenn man so will ernster, jedenfalls weniger überraschend.
Das mag aus makromusikalischer Sicht bedauerlich sein; vor allem ist es verständlich. Seit der Bandgründung vor sechs Jahren nämlich packen Chris Keating, Anond Wilder und Ira Wolf-Tuton die ganze Welt in ihre Lieder und ein bisschen mehr. Alle Klänge, Töne, Samples, alle Synthesen, Referenzen, Codes – nur rein damit. Yeasayer-Songs sind Gefäße, und die sind irgendwann einfach voll.
Deshalb fehlt vielen der elf Stücke die pendelnde Leichtigkeit des Vorgängers, seine Unverkrampftheit im Besonderen. Besonders, da die Gitarren fehlen. War Odd Blood noch dem Rock verwandt, ohne die zugehörigen Instrumente zu verwenden, betreibt Fragrant World fast ausnahmslos elektronische Soundgenese. Nur, dass sie oft sonderbar analog klingt. Dem gefälligen Tanzstück Reagan’s Skeleton etwa hört man fehlende Saiten so wenig an wie dem Durcheinander von No Bones zuvor oder der Achtziger-Referenz Demon Road danach.
Wer die Yeasayer zerlegt, könnte also ähnlich ratlos vor den Einzelteilen stehen wie vor einem zerschraubten Auto – nur als Ganzes ergibt es einen Sinn. Die Band versucht eine Neujustierung der ausgeleierten Weltmusik. Und darin besteht ihre die Kunst: Der Eklektizismus der Yeasayer ist so versiert, dass die Details im Schmelztiegel ihrer Kreativität verschwinden. Dafür mussten sie kein besseres Album machen als die alten; es reicht, dass das neue kaum schlechter ist.
„Fragrant World“ von Yeasayer ist erschienen bei Mute.