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Fronssösiesche Laischtieschkait

 

Nancy Sinatra tanzt mit Zaz und Phoenix: Das Popduo Brigitte spielt mit musikalischen Frankreichklischees und hat daraus 15 kleine Meisterwerke der Unterwanderung geschaffen.

© Revolver Promotion

Brigitte hat hierzulande einen eher altbackenen Klang. Als Vorname hat er es nicht mal in der anhaltenden Vornamenretrowelle zwischen die neuen Sophies und Ernas geschafft. Die gemeine Leserin des entsprechenden Frauenmagazins dürfte nicht weit nach dessen Gründungsjahr 1954 geboren sein. Und das erste zweier B einer sehr blonden Hollywoodikone steht längst eher fürs Gestern als für Glamour. Brigitte ist irgendwie rückwärtsgewandt, jedenfalls alles andere als Pop.

Das stimmt. Und es stimmt wieder nicht. Denn Aurélia Saada und Sylvie Hoarau aus Paris nennen sich Brigitte, französisch weich prononciert, versteht sich, nicht hart und kantig wie hierzulande, aber eben doch mit diesem Doppelkonsonanten am Ende, der seiner Aussprache etwas Gezischtes, zeitlos Dynamisches, irgendwie Rotziges verleiht. Und genauso klingt auch ihr Debütalbum Et vous, tu m’aimes? Wie die Popmusik früher Tage, nur Richtung Zukunft transponiert, bisweilen fast Schlager, aber gleichsam modern, zitierfreudig.

Das muss man als Statement verstehen – Brigitte sind ein Gesamtkunstwerk. Ihr Gestus oszilliert zwischen originärer Flower Power und retrospektiver Kulturaneignung, zwischen Nancy Sinatra und Zaz, Chanson und Black Music, Tamburin und Scratching. Mit Nana-Mouskouri-Gedächtnisbrille, knallbunten Wallekleidern und reichlich Blumen im Mittelscheitel, pappen sie sich die Stilistik der Swinging Sixties an, um ihren Sound optisch zu grundieren.

Brigitte – Battez-vous.

Das ist womöglich Maskerade, noch ein Konstrukt also zur poparchäologischen Wiederbeschaffung verschütteter Sehnsüchte der Generation 50+ mit Anschlussmöglichkeiten in die nachfolgende, eine weitere Vermarktungsstrategie in den Arterien der Musikindustrie. Doch selbst wenn – Et vous, tu m’aimes wirkt darin befreiend, nicht verstopfend. Denn die 15 Stücke sind fast ausnahmslos kleine Meisterwerke der Unterwanderung.

Das dissonant harmonische Battez Vous zum Auftakt reitet versiert auf der Welle des Neo-Chansons, das quirlige Cœur de Chewing Gum im Anschluss versöhnt Mireille Mathieu mit Cœur de Pirate, Big Bang fügt dem Ganzen sodann psychedelischen Beat hinzu, bis No. 5, La Vengeance D’Une Louve, dem Ganzen die singende Nonne Sœur Sourire samt einer Prise Phoenix unterrührt. So geht es immer weiter.

Das hat mit den Sechziger Jahren nur als ein Wertschöpfungspool unter vielen zu tun. Umso schöner, dass die – pardonnez cette platitude – sprichwörtliche Leichtigkeit darin einen so derart französischen Charme entfaltet, dass man die Platte stundenlang durchlaufen lässt. Sicherlich geht sie keinen allzu gewundenen Pfad ins Gemüt. Der Titel heißt ja auch korrekt übersetzt: Und Sie, liebst du mich? Was, sprachlich unkorrekt, aufs Bedürfnis verweist, gemocht zu werden. Und wenn französische Texte selbst leidlich Sprachkundigen verständlich sind, gehen sie offenbar nicht tiefer als das Gefühl der Verliebtheit, von dem sie gern handeln.

Andererseits: Ruhm haben Brigitte in Frankreich erfahren, als sie ein Stück der knüppelharten Banlieue-Rapper Nique Ta Mère (übersetzt: Fick deine Mudder) gecovert haben. So was macht man auch nicht grad, um von allen gemocht zu werden. Dass Potenzial dazu haben sie dennoch.

„Et vous, tu m’aimes“ von Brigitte ist erschienen bei 3eme bureau.