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Geht ins Ohr und auch wieder raus

 

Das junge Dresdner Septett namens Bergen macht chansonesken Kaffeehauspop. Sein zweites Album „Bärenmann“ ist gefällig, etwas unoriginell, aber durchaus hörbar.

© Popp Ulrich
Bergen – sieben Musiker und ein Bärenmann (© Popp Ulrich)

Wer sich im Pop zu sehr an seinen Vorbildern orientiert, wirkt bisweilen etwas armselig. Peter Kraus, Nino de Angelo, Ted Herold zum Beispiel wollen doch nur wie Elvis singen, die Killers lieber nach U2 klingen, Robbie Williams like Sinatra swingen, und alle scheitern sie grandios.

Auch die Dresdner Band Bergen möchte nicht so richtig sie selbst sein und klingt daher weder wie sie selbst, noch wirklich anders. Ihr chansonesker Kaffeehauspop kommt folglich auch auf dem zweiten Album daher, als hätte sich Tom Liwa fürs Comeback der Flowerpornoes mit Tocotronic im Ü-Raum verabredet, aber versehentlich den von Element of Crime erwischt, wo grad der Cognac (Hors d’âge, versteht sich) ausgegangen ist und alles seltsam matt vor sich hin dämmert.

Das soll jetzt gar nicht allzu hart erscheinen, kein Totalverriss! Das Album Bärenmann geht rein ins Ohr wie Debussy und läuft wieder raus wie Salzwasser beim Strandurlaub. Acht oft episch lange, meist sehr pointierte Stücke, in der eigenen Plattenfirma vom geistesverwandten Erdmöbel-Bassisten produziert und zu keiner Zeit aufdringlich, selten anstrengend, stets gefällig, nett. Aber Bergen, diese siebenköpfige Versammlung irgendwie intellektuell anmutender Popbohemiens deutscher Zunge, hat jenen Gestus gepflegter Langeweile, der Sven Regeners musikalische Geschmeidigkeit noch heute auf Stadionbühnen verhilft, nun doch ein bisschen überstrapaziert.

Die Trompete, das Akkordeon, der elegische Ansatz kultivierter Borniertheit in Mario Cettis angerauter Märchenerzählerstimme, eine wächserne Hochnäsigkeit mit Klarinette, Glockenspiel, Klavier und viel „Kummer“ oder „Dringlichkeit“ im poppoetischen Alltagsdiskurs – alles scheint um seiner Selbst Willen arrangiert, nichts aus sich heraus geboren.

Es schwingt einfach zu viel Epigonentum mit und zu wenig selbstbewusstes Bauchgefühl. Der Bärenmann trägt seine Konzeptverliebtheit allzu oft auf der Zunge, statt sie im Wesenskern zu verbergen. Dabei mag eine hörbare Platte herauskommen. Schmeichelhafte Analogien zu Belle & Sebastian zieht – wie der KulturSpiegel-Kritiker Christoph Dallach – allerdings nur, wer Virtuosität zulasten der Kreativität akzeptiert.

Dennoch kommt man bei dieser Gruppe nicht umhin, von Harmonie zu erzählen. Das Lied Bärenmann 2 etwa, einfach so nebenher laufen gelassen – dann wird aus Bergen, was Bergen offenbar will: geschmackvoller Wohnzimmerfolkpop mit anschwellendem Instrumentenallerlei zum Schlagzeugcrescendo ohne Misstöne und Kanten, dafür mit durchaus sonderbarer Lyrik, die allerdings eher nach Stirnrunzeln ruft als nach Entschlüsselung.

Es fällt leicht, dieses kultivierte Septett aus Sachsen schon um seiner bloßen Existenz in der popkulturellen Diaspora zu mögen. Aber um es zu lieben, müsste da schon gegen irgendwas rebelliert werden. Am besten, Bergen beginnen mit ihren Vorbildern. Die können das nämlich besser.

„Bärenmann“ von Bergen ist erschienen bei K&F Records.