Die kanadische Band Suuns hat das passende Album zur Überhitzung des Spätkapitalismus. „Images du Futur“ gibt Verbitterung und Zuversicht eine musikalische Form.
Eine Mischung aus Frustration und Erregung prägt unsere Gegenwart. Nennen wir das Gefühl Frustregung. Alles soll wachsen, schneller werden, immer verfügbar sein. Die Zeit fürs Wesentliche verdampft in der Überhitzung eines Spätkapitalismus, der Mensch und Moral aus den Augen verloren hat. Sozial gerecht geht es immer seltener zu. Indes bahnt sich die Empörung ihren Weg, es herrscht Aufbruchsstimmung.
Diese Atmosphäre mögen auch die Jungs von der kanadischen Band Suuns gespürt haben, als sie im vergangenen Sommer ihr zweites Album einspielten. Unweit ihres Studios in Montreal gingen eine halbe Million Leute auf die Straße, um gegen die Erhöhung von Studiengebühren zu protestieren. Mit Erfolg. Immer mehr erkennen: Eine lebenswerte Zukunft erfordert Fantasie, gesunden Menschenverstand und auch mal zivilen Ungehorsam. Der aktuellen Gemütslage zwischen Zuversicht und Verbitterung haben Suuns nun eine musikalische Form verliehen.
Seit sechs Jahren spielen die studierten Jazzer zusammen. Und nach ihrer Heimat begeistern sich nun auch Paris und London für diese eigentümliche Band. Ihr Geheimnis: Artrock, der futuristisch wirkt und doch nie bemüht daherkommt. Suuns üben sich in Zurückhaltung, sie überwältigen nicht. Stattdessen erwischen sie ihre Hörer auf dem falschen Fuß, verwirren, rütteln auf. Klingt so die Zukunft des Indierock – kristallklar und schemenhaft, geschmeidig und spröde zugleich?
Genregrenzen sind dem Quartett aus Quebec bloß Türschwellen, die in immer neue Räume führen. Ob über dem Eingang nun Post-Punk, Shoegaze oder Krautrock steht, ist unwesentlich. Das Album Images du Futur ist eine hypnotische Expedition ins Unbekannte. Bei jedem Durchgang durchstreift man neue Gefilde, entdeckt Ungehörtes. Gitarren summen wie ein biblischer Heuschreckenschwarm, Synthesizer imitieren Donnergrollen, dazwischen ertönen Kuhglocken und Klarinetten. Ben Shemie presst die Worte zwischen den Zähnen hindurch, raunt die Zeilen wie Thom Yorke oder Ade Blackburn von Clinic. Seine paranoide Stimme ist nur ein weiteres Instrument.
Glanzpunkt ist das halluzinogene Edie’s Dream. Im Halbdunkel tanzen die Charaktere eines David-Lynch-Films Stehblues zu Gershwins Summertime. Darunter ein arhythmischer Basslauf und weißes Rauschen. Am Schlagzeug stapelt Liam O’Neill unbetonte Werte auf betonte, verschiebt die Rhythmen oder lässt sie durchgehend pulsieren. Mal erinnert der Sound an Radiohead um die Jahrhundertwende, mal hört man den Einfluss deutscher Bands wie Neu! und Can heraus. Bewusstseinserweiternd wirken diese Klangcollagen, allen voran das Titelstück, das nur aus Synthesizern und einem Streichquartett besteht. Mit aufgerissenen Augen taumelt man auf Stanley Kubricks schwarzem Monolithen gen Unendlichkeit.
Ein wunderbar irritierendes Album voller Träume, Ängste und Zukunftsvisionen. „Now something ain’t right here / The music won’t save you“, murmelt Shemie zwischen wehmütigen Gitarren und Lachkonserven. Wohl wahr, die Musik wird uns nicht retten. Das müssen wir schon selbst tun.
„Images du Futur“ von Suuns ist erschienen bei Secretly Canadian/Cargo Records.