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Die beste Einfrauboyband der Welt

 

Darf man mehr erwarten als hübsche Optik und geschmeidige Bewegungen, wenn die Tochter von Jane Birkin singt? Lou Doillons Debütalbum zielt auf Erfolg, dringt aber selten ins Gemüt.

© Universal Music
© Universal Music

Diese Augen, die Nase, das lange Haar überm schmalen Gesicht, der Mund, er vor allem. Wer Lou Doillon sieht, könnte einen Riss im Raum-Zeit-Kontinuum vermuten oder profaner eine alte Filmaufnahme von ihr, der Mutter: Jane Birkin, die von drei Männern drei Töchter hat, die alle aussehen wie das singende Schauspielerinnenmodel aus England, das seit Jahrzehnten französisch spricht, denkt, tickt.

Das meiste davon hat ihre Tochter Lou geerbt. Schon mit fünf Jahren stand sie 1987 schließlich neben Mama Birkin Superstar vor der Kamera. Sie modelt, gar für den Playboy, sie hat selbst eine Tochter, sie schauspielert, ach ja: Und sie singt. Natürlich. Sie singt sogar ganz gut, leider nicht Französisch, aber chansonartig. Auch auf Englisch hat ihre Stimme so was nonchalant Nasales, provokant Gelangweiltes, ziemlich Lässiges und liegt damit mittig zwischen Suzanne Vega, Marianne Faithful, Cat Power.

Trotzdem hängt dem Debütalbum Places, das daheim rasant in die Top Drei stürmte, etwas Anrüchiges an. Es gab einfach schon zu viele Kinder populärer Eltern, die mit blühenden Vorschusslorbeeren auf dem gesalbten Haupt und den besten Musikern in die besten Studios der besten Produzenten gekarrt wurden, um durchdeklinierten Pop aufzunehmen, dessen Strahlkraft ohne den marketinggerechten Familiennamen womöglich doch nicht ganz so hell wäre. Die schöne Lou landete bei niemand Geringerem als Philippe Zdar; der geniale Vordenker frankophonen Indiepops von Cassius über MC Solaar bis Phoenix hat auch ihr, produziert vom heimischen Popstar Étienne Daho, ein Album auf den Leib gemixt, das gar nicht anders kann, als das Publikum zu überzeugen.

Schon im Auftaktstück I.C.U. treibt seine Frontfrau mal launige, mal melancholische Texte über schwierige Beziehungen, schöne Beziehungen, seltsame Beziehungen, neobohemistische Alltagsgeschichten eben, zu einer versierten Inszenierung des inhaltlich Belanglosen im perfekten Soundkleid. Da bleibt kein Bauch unbetroffen, kein Herz unberührt, kein Verstand unterkühlt. Was aber eben auch daran liegt, dass alle drei keinen Zufallstreffern ausgesetzt sind, sondern einem Sperrfeuer idealtypischen Songwritings, dem man die Stoßrichtung Erfolg bisweilen arg anhört.

Da sind getragene Stücke dabei wie Same Old Game, schmissige wie Questions And Answers, folkige wie Make A Sound, verrückte wie der Titelsong, alles nicht glatt, aber seltsam kantenfrei. So funktioniert Places in etwa wie eine Boygroup. Die hat auch per se einen Sportler, einen Softie, einen Latin Lover, einen Denker, einen Freak, um alle zu bedienen, die dem Genre potenziell anhaften. In ihrem schafft es Lou Doillon so gesehen zur besten weiblichen Einfrauboyband aller Zeiten, deren Management wohlweißlich bloß ans ganz kleine Glöckchen hängt, ob sie ihre Lieder selbst schreibt und was sie so außer Optik, Gesang, geschmeidigen Bewegungen draufhat.

Lou Doillon ist sozusagen das Take That des Singer/Songwriter-Pop. Das ist meist so schön anzusehen wie anzuhören. Ins Gemüt dringt es arg selten.

„Places“ von Lou Doillon ist erschienen bei Universal.