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Harmonielehre in Schön-Dur

 

Seit 20 Jahren pflegen Travis die argloseste Form des Britpop. Auch das neue Album schwingt lächelnd zwischen Herrjemine und Heitidei. Kann es nicht mal eine Kante geben?

© Red Telephone Box
© Red Telephone Box

Es beginnt ja schon, kein Wunder, mit dem allerersten Song. Genauer: mit dem ersten Gitarrenriff. Noch genauer: mit dieser Stimme, Fran Healys Stimme, diesem wachsweichen, wiegenliedharten, einschläfernd flüchtigen Timbre, irgendwo zwischen Chris Martin und Bono, zwischen Melancholie und Wohlbefinden, Herrjemine und Heitidei. Ein paar Takte eines einzigen Liedchens, Mother heißt es generationenübergreifend süffig, reichen dicke – schon haben Travis ihr Publikum exakt so eingehegt, wie sie es seit nunmehr 20 Jahren Schäfern gleich tun.

Und es sind gute Hirten, diese vier sanft gereiften Schotten mit Banjo, Piano, den Insignien modernisierter Volksmusik also. Auch auf dem siebten Studioalben bieten Travis ihrer flauschigen Herde also Verlässlichkeit und Frieden, Schutz und Liebe, sanfte Hügel und saftige Wiesen. Dinge von praktischem Wert, Werte fürs Gemüt, gemütliche Stücke, elf an der Zahl, eins behaglicher als das andere. Harmonielehre in Schön-Dur. Where You Stand heißt das aktuelle Album und gibt die gewohnte Antwort: Ihr steht genau da, wo es ist wie immer, wo euch nicht Harm droht noch Härte. Und selig schunkelnd blöken die Schafe im Takt.

Alle. Wie immer. Denn sobald Travis etwas neues Altes zum Besten geben, strömen die Massen zusammen, Männer brav hinter Frauen platziert, zwei starke Arme behütend um die wippenden Schultern der Liebsten gelegt und dann gemeinsam so dahin geträumt in den Himmel der arglosesten aller Britpopversionen. Schon zum Auftakt flattern folglich die Choräle und künden von Sehnsucht, Hoffen und Erfüllung. In Reminder pfeift sich das Quartett gleich mal fröhlich eins, sulzt sodann ein textbaukastenbewährtes „In the middle of the night“ durch die Anfangssequenz von Warning Sign, gönnt sich in Another Guy zwar – hoppla – eine Passage in Moll, wechselt im anschließenden A Different Room aber arglos zurück zum sedierenden Grundrhythmus eingängiger Geradlinigkeit und bleibt dort bis zum Schluss.

Die Marschtrommel ertönt dort verlässlich wie Omas Standuhr auf der Eins, die Basstrommel besetzt stoisch die Zwei, Gesang deckt sich stets mit Gitarre, für Zwischentöne sorgt allenfalls das plätschernde Klavier. Es ist ein einziges Ineinanderübergehen heimeliger Melodien zu geschmeidigem Vokabular. Nicht, dass das verwerflich wäre, nein: Travis hören heißt, sein Inneres mit dem Äußeren versöhnen, heißt ruhig werden, ganz ruhig, die eigene Mitte finden, heißt sich zu setzen selbst im Stehen, heißt lächeln, lächeln, lächeln, auch wenn es mal trister wird. Als Mumford & Sons noch nicht mal Oberlippenflaum wuchs, hatten Travis ihren Gefühlsfolk à la Sing ja bereits mit Popallüren stadiontauglich gemacht. Und genau damit sind sie bis heute extrem erfolgreich.

Sie müssen sich allerdings umso öfter die Frage gefallen lassen, ob das wirklich alles ist: immer gefällig zu sein, nett zu sein, Fels zu sein und Oma, Opa, Eltern, Enkel gleichermaßen zu befriedigen. Ob da nicht mal eine Kante ins Repertoire sollte, etwas Verstörung. Ein Angriff auf die Selbstgerechtigkeit ihrer selbst und der anderen. Nein? Nicht? Schade.

„Where You Stand“ von Travis ist erschienen bei Red Telephone Box.