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Dick Bläser, Bass und Beats

 

Elvis Costello war schon immer höllisch funky. In The Roots hat er jetzt die perfekte Band gefunden. Ihr erstes gemeinsames Album ist ein großes Vergnügen.

© Danny Clinch
© Danny Clinch

Es ist tatsächlich keine Überraschung, dass es gut klingt, wenn der alte Postpunk-Recke Elvis Costello und die Soulmonster The Roots gemeinsam eine Platte aufnehmen. Aber so gut? Wise Up Ghost ist saftiger Soulfunk eng umschlungen vom Charme des britischen Postpunk, mal lakonisch, mal renitent, immer kraftvoll.

Zu Beginn knarzt es noch fremd, dann bahnen sich ein eng anliegendes Schlagzeug und ein verdammt geschmeidiger Bass ihren Weg. Und Elvis Costello grantelt gegen die Instrumente an, umgarnt sie, disputiert mit ihnen, lässt den Takt ins Leere laufen. Höllisch funky – aber das war er ja schon immer.

Beide, Costello und The Roots, sind wahre Weltmeister des Zusammenspiels. The Roots haben seit vier Jahren einen Job, der zu solchen Kooperationen einlädt: Sie sind die Hausband des amerikanischen TV-Entertainers Jimmy Fallon und bereiten dort täglich illustren Gästen den musikalischen Hintergrund. Zuletzt führte das zu einer Platte mit der beinahe vergessenen Soulsängerin Betty Wright.

Elvis Costello auf der anderen Seite nahm das Zusammenspiel mit anderen Musikern immer wieder zum Anlass, Genregrenzen zu überwinden, mal mehr, mal weniger anhörbar. Schon in den neunziger Jahren hatte er mit dem klassischen Brodsky Quartet (naja), dem Jazzgitarristen Bill Frisell (puh) und der Legende Burt Bacharach (großartig) im Studio gestanden, später dann mit dem Soulmusiker Alan Touissant und der Opernsängerin Anne Sofie von Otter. Da saß manches arg quer.

The Roots nun muss er nicht besonders weit entgegenkommen, vertraut klingt das und eingespielt. Kein Wunder, schon im Jahr 2009 standen sie bei Jimmy Fallon zum ersten Mal zusammen auf der Bühne, da machten sie aus Costellos 30 Jahre altem Klassiker High Fidelity ein brüllendes Ungetüm. Das passte! Noch zweimal kehrte Costello zurück, zuletzt vor anderthalb Jahren, da wurde Springsteens Fire zu einem elastischen Ska-Liedchen gespannt.

Manches auf Wise Up Ghost ist großartig, Walk Us Uptown etwa, auch Come The Meantime, beide tragen ordentlich dick Bläser, Bass und Beats auf. Auch She Might Be A Grenade und Refuse To Be Saved sind mitreißend, aber viel dichter und trockener. Je länger die Platte dann läuft, desto häufiger schweifen die Gedanken ab. Das Drängen, das Wise Up Ghost zu Beginn bestimmt, lässt langsam nach. Wenn Questloves Beats und das Grummeln seiner Band vor allem in den ruhigeren Stücken unauffälliger werden, dann fehlt eine entscheidende Zutat.

Im Büchlein zur CD ist nachzulesen, dass der Produzent und Schlagzeuger Questlove – ein Bär von einem Mann, und erst diese Frisur! – damals die Idee hatte, gemeinsam ins Studio zu gehen und ein paar Lieder aufzunehmen. Hinter der Bühne wird er Elvis Costello ein paar spärliche Worte zugemurmelt haben. Viel geredet wurde auch anschließend nicht. Costello erzählte in einem Interview, man habe sich einfach getroffen und gespielt, gespielt, gespielt. Aufregend sei das gewesen.

Viel weniger aufregend ist die Hülle des Albums geraten. Das Motiv ist angelehnt an die City Lights Pocket Poets Series, eine seit Mitte der Fünfziger in Kalifornien erscheinende Taschenbuchreihe mit Avantgarde-Literatur. Unten rechts steht Number One. Seltsam, käme da nicht noch mindestens Number Two nach.

„Wise Up Ghost“ von Elvis Costello & The Roots ist erschienen bei Blue Note.